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Die Kunst des Pirschens

Titel: Die Kunst des Pirschens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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und es bestünde lediglich eine Vereinbarung zwischen ihnen und ihr, daß sie sich um ihr Haus kümmern, und umgekehrt.
    Soledad wisse, daß sie früher oder später fortgehen müßten, und sei gern bereit, die Verantwortung zu übernehmen und ihre Habe zu ordnen.
    »Wie wollt ihr sie denn benachrichtigen?« fragte ich.
    »Dafür ist la Gorda zuständig«, sagte Nestor. »Wir wissen nicht, wo sie ist. «
    »Wo ist Dona Soledad, Gorda?« fragte ich.
    »Wie, zum Teufel, soll ich das wissen?« fauchte la Gorda mich an.
    »Aber du bist es doch, die sie immer holt«, sagte Nestor.
    La Gorda sah mich an. Es war ein beiläufiger Blick, und doch ließ er mich schaudern. Ich kannte diesen Blick, aber woher? Die Tiefen meines Körpers regten sich, mein Solarplexus hatte eine Festigkeit, wie ich sie nie empfunden hatte. Mein Zwerchfell schien sich ganz von selbst zu heben. Ich überlegte, ob ich mich vielleicht hinlegen sollte, als ich plötzlich feststellte, daß ich aufgestanden war.
    »La Gorda weiß es nicht«, sagte ich. »Nur ich weiß, wo sie ist. «
    Alle waren schockiert; ich selbst wahrscheinlich noch heftiger als alle anderen. Ich hatte diesen Satz ohne jeden vernünftigen Grund gesprochen. Und doch war ich in dem Augenblick, als ich ihn aussprach, vollkommen davon überzeugt, daß ich wußte, wo sie war. Es war wie ein Blitz, der durch mein Bewußtsein zuckte. Ich sah eine bergige Gegend mit stark zerklüfteten kahlen Gipfeln; ein wüstes Gelände, einsam und kalt. Unmittelbar nachdem ich gesprochen hatte, war mein nächster bewußter Gedanke, daß ich diese Szenerie wohl irgendwann in einem Film gesehen haben mußte und daß der Druck des Zusammenseins mit diesen Leuten mich in einen Nervenzusammenbruch trieb.
    Ich entschuldigte mich dafür, daß ich sie so frech, wenn auch ohne Absicht, hinters Licht geführt hatte. Ich setzte mich wieder.
    »Du meinst also, du weißt nicht, warum du das sagtest?« fragte mich Nestor.
    Er hatte seine Worte bedächtig gewählt. Das Natürlichste wäre gewesen, so jedenfalls schien es mir, wenn er gesagt hätte: »Du weißt also wirklich nicht, wo sie ist?« Also erzählte ich ihnen, daß irgend etwas Unbekanntes über mich gekommen sei. Ich schilderte ihnen die Szenerie, die ich gesehen hatte, und drückte meine Gewißheit aus, daß Dona Soledad sich dort aufhalten müsse.
    »So etwas passiert uns recht oft«, sagte Nestor.
    Ich drehte mich nach la Gorda um, und sie nickte mit dem Kopf. Ich bat um eine Erklärung.
    »Diese verrückten, vermischten Sachen kommen uns immer wieder in den Sinn«, sagte la Gorda. »Frag doch Lydia, Rosa oder Josefina.«
    Seit die neue Ordnung des Zusammenlebens begann, hatten Lydia, Rosa und Josefina nicht viel mit mir gesprochen. Sie begnügten sich mit Grußworten und beiläufigen Bemerkungen über das Essen oder das Wetter.
    Lydia wich meinem Blick aus. Sie murmelte, sie habe manchmal das Gefühl, sich an andere Dinge zu erinnern.
    »Manchmal kann ich dich wirklich hassen«, sagte sie zu mir. »Ich glaube, du tust nur so, als seiest du dumm. Dann wieder erinnere ich mich, daß du wegen uns sehr krank warst. Warst du es?«
    »Natürlich war er es«, sagte Rosa. »Auch ich erinnere mich an solche Dinge. Ich erinnere mich an eine Dame, die freundlich zu mir war. Sie brachte mir bei, mich Sauberzuhalten, und dieser Nagual hier schnitt mir zum erstenmal die Haare, während die Dame mich festhielt, weil ich verängstigt war. Diese Dame hatte mich gern. Sie umarmte mich immer. Sie war sehr groß. Ich erinnere mich daran, wie mein Gesicht an ihrer Brust lag, wenn sie mich umarmte. Sie war der einzige Mensch, der sich jemals um mich gekümmert hat. Ich wäre für sie in den Tod gegangen.«
    »Wer war diese Dame, Rosa?« fragte la Gorda atemlos.
    Rosa deutete mit dem Kinn auf mich - eine Geste voller Ablehnung und Verachtung.
    »Er weiß es«, sagte sie.
    Alle starrten sie mich an und warteten auf eine Antwort. Ich wurde wütend und schrie Rosa an, es stünde ihr nicht zu, Dinge daherzureden, die eigentlich Anschuldigungen seien. Denn ich hatte sie in keiner Weise angelogen.
    Rosa ließ sich durch meinen Gefühlsausbruch nicht beirren. Ruhig erklärte sie, sie erinnere sich daran, wie die Dame ihr sagte, ich würde eines Tages wiederkommen, nachdem ich mich von meiner Krankheit erholt hätte. Dies hatte Rosa so aufgefaßt, als ob diese Dame sich um mich kümmerte, als ob sie mich gesundpflegte, und ob ich daher wissen müsse, wer sie sei; denn anscheinend war

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