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Die Kunst des Träumens

Die Kunst des Träumens

Titel: Die Kunst des Träumens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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besprochen hatten, wurde zu einem unbestimmten Gedanken an irgend etwas, das geschehen sein mochte, in Wirklichkeit aber nicht geschehen war - wenn ich die vernünftigen Maßstäbe meines Alltagsbewußtseins anlegte. Das nächste Mal. als Don Juan und ich über das Träumen sprachen, diskutierten wir über die Gründe, warum es mir monatelang nicht gelungen war. Fortschritte bei meinen Traumübungen zu erzielen. Don Juan warnte mich aber, daß er, um meine Situation zu erklären, weit ausholen müsse. Zuerst wies er mich darauf hin, daß es einen gewaltigen Unterschied gebe zwischen den Gedanken und Taten moderner Menschen und den Menschen der Vorzeit. Und dann meinte er. die Menschen der Vorzeit hätten eine sehr realistische Auffassung von Bewusstsein und Wahrnehmung gehabt, denn ihre Auffassung resultierte aus der Beobachtung des sie umgebenden Universums. Die modernen Menschen hingegen hätten eine absurd unrealistische Auffassung von Bewusstsein und Wahrnehmung, weil ihre Ansichten auf ihrer Beobachtung der Sozialordnung und ihrem Verhalten in dieser sozialen Welt beruhten.
    »Warum sagst du mir all diese Dinge?« fragte ich. »Weil du ein moderner Mensch bist, natürlich, aber verstrickt in die Auffassungen und Beobachtungen der Menschen der Vorzeit«, antwortete er. »Und all diese Beobachtungen und Auffassungen sind dir fremd. Mehr denn je brauchst du jetzt Mut und Nüchternheit. Ich versuche eine Brücke zu bauen - eine Brücke, die du beschreiten kannst - zwischen den Ansichten der Menschen der Vorzeit und jenen der modernen Menschen.« Unter allen transzendentalen Beobachtungen der Menschen alter Zeiten, sagte er, sei eine einzige mir vertraut - nämlich die, daß wir, um Unsterblichkeit zu erlangen, unsere Seele dem Teufel verkaufen, was für Don Juan, wie er einräumte, viel Ähnlichkeit habe mit der Beziehung der alten Zauberer zu den anorganischen Wesen. Er erinnerte mich daran, wie der Traumbotschafter versucht hatte, mich zum Bleiben in seinem Reich zu bewegen, indem er mir die Möglichkeit bot, meine Individualität und mein Bewusstsein beinah eine Ewigkeit lang zu bewahren. »Vor den Verlockungen der anorganischen Wesen zu kapitulieren, ist, wie du weißt, nicht nur eine Idee: es ist real«, fuhr er fort. »Aber die Konsequenzen dieser Realität hast du noch nicht ganz erkannt. Ähnlich ist auch das Träumen real. Es ist ein Energie erzeugender Zustand. Du hörst meine Worte, und gewiß verstehst du, was ich meine. Aber dein Bewusstsein hat noch nicht die ganze Tragweite dessen erfaßt.«
    Don Juan meinte, daß meine Rationalität wohl um die Bedeutung einer solchen Erkenntnis wisse. Bei unserem letzten Gespräch habe sie mich gezwungen, die Bewußtseinsebene zu wechseln. Ich sei schließlich in meinen normalen Bewusstseinszustand zurückgekehrt, bevor ich auf alle Nuancen meines Traums eingehen konnte. Auch habe meine Rationalität sich durch die Unterbrechung meiner Traumübungen zu schützen versucht. »Ich versichere dir, ich bin mir voll bewußt, was ein Energie erzeugender Zustand ist«, sagte ich.
    »Und ich versichere dir, du bist es nicht. Wärst du es, dann würdest du beim Träumen vorsichtiger und bewusster vorgehen. Da du aber glaubst, es wären nur Träume, gehst du blindlings Risiken ein. Deine irrende Vernunft sagt dir, daß der Traum, was immer passieren mag, irgendwann vorbei sein wird und du erwachen wirst.«
    Er hatte recht. Trotz all dessen, was ich bei meinen Traumübungen erlebt hatte, war ich noch immer allgemein überzeugt, daß es sich nur um Träume handle.
    »Ich spreche zu dir von den Ansichten der Menschen der Vorzeit und von den Ansichten moderner Menschen«, fuhr Don Juan fort, »weil dein Bewusstsein, nämlich das Bewusstsein eines modernen Menschen, mit einem fremden Konzept so umgeht, als sei es ein leeres Idealbild.
    Wärst du dir selbst überlassen, dann würdest du das Träumen als Idee auffassen. Natürlich nimmst du das Träumen ernst, da bin ich mir sicher. Aber du glaubst nicht recht an die Realität des Träumens.«
    »Ich verstehe, was du sagst. Don Juan. Aber ich verstehe nicht, warum du es sagst.«
    »Ich sage dies alles, weil du jetzt, zum erstenmal, in der Lage bist, zu verstehen, daß Träumen ein Energie erzeugender Zustand ist. Zum erstenmal kannst du jetzt verstehen, daß gewöhnliche Träume vorbereitende Mittel sind, eingesetzt, um den Montagepunkt auf das Erreichen jener Position zu trainieren, die den Energie erzeugenden Zustand schafft, den

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