Die Kunst engagierter Gelassenheit
sehr. Auch die Tatsache, dass ich mein Leben lebe, hilft mir, gelassen zu sein. Angst zu sterben hat, wer schuldig ist in dem Sinne, nicht das eigene Leben gelebt zu haben. Wenn ich morgen sterbe, glaube ich damit und mit meinem Leben einverstanden zu sein.« (Frau, 38 Jahre)
»Vor 40 Jahren hatte ich das Buch Interviews mit Sterbenden von Elisabeth Kübler-Ross gelesen. Es lehrte mich, unsere Endlichkeit als etwas Unabänderliches zu akzeptieren und in unser Denken und Fühlen einzubeziehen. Darüber hinaus lehrte es mich, den Moment zu leben und mich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren.« (Mann, 71 Jahre)
» Angesichts unserer Vergänglichkeit relativieren sich die vielen Problemchen. Durch das regelmäßige Bewusstmachen meiner Vergänglichkeit versuche ich, meinen Herzgeist immer wieder neu auf die wirklich zentralen Fragen und Anliegen meines Lebens auszurichten, statt mich an Trivialitäten aufzuhängen.« (Frau, 41 Jahre)
»Meine Mutter starb im Alter von 50 Jahren an einer unheilbaren Krankheit. Damals habe ich mich intensiv mit dem eigenen Tod befasst und festgestellt, dass der Tod das einzige Absolute im Leben ist, das einmal wirklich passiert. Bei allen anderen Dingen gibt es immer sehr viele Möglichkeiten und Alternativen. Ich wurde auf den Tod meiner Mutter vorbereitet und habe mit ihr auch darüber
geredet, bevor sie starb. Das führte dazu, mein Leben intensiver zu leben und hat gleichzeitig meine Fähigkeit loszulassen und der Gelassenheit verbessert.« (Mann, 55 Jahre)
»Die Beschäftigung mit dem Tod – in Einklang mit mir und der Mitwelt sterben zu können – fördert mit zunehmendem Alter eine engagierte Gelassenheit.« (Frau, 61 Jahre)
Die Konfrontation mit unserem Sterben schenkt uns auch eine positive Grundeinstellung zu anderen Menschen und zur Welt. Der indische Jesuit, Meditations- und Weisheitslehrer Anthony de Mello ließ auf seinen Grabstein den Satz schreiben: »And all shell be well.« Diese Worte können verstanden werden als »Und alles ist gut so wie es ist« oder im Sinn von »Und allen möge es gut gehen!« So oder so zeugen sie von echter Gelassenheit.
■ Wie sieht mein Worst-case-Szenario aus, wenn mich ein ganz bestimmter schwerer Schicksalsschlag treffen würde?
■ Welche Gedanken und Gefühle löst die Vorstellung des »schlimmsten Falls« in mir aus?
■ Was bräuchte ich, damit ich mir auch beim Worst-case-Szenario noch ein sinnvolles Leben in Zufriedenheit vorstellen könnte?
■ Was würde ich tun und ändern, wenn ich erfahren würde, dass ich nur noch sechs Monate zu leben hätte?
Von guten Mächten geborgen
Unruhig ist mein Herz,
bis es Ruhe findet in dir. [Ref 6]
Augustinus (Philosoph und Theologe, 354 – 430)
Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.
Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.
Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.
Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält.
Rainer Maria Rilke (Lyriker, 1876 – 1926)
Gelassenheit zu den Dingen,
Offenheit für das Geheimnis.
Martin Heidegger (Philosoph, 1889 – 1976)
Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar,
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr.
Dietrich Bonhoeffer (evangelischer Theologe, 1906 – 1945)
Dietrich Bonhoeffer, der kurz vor Kriegsende im KZ Flossenbürg umgebracht wurde, schrieb neben dem eindrücklichen
und oft vertonten obigen Gedicht auch ein einzigartiges Glaubensbekenntnis als Frucht seines jahrelangen Engagements im Widerstand gegen das NS-Regime:
»Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen. Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber: Er gibt uns diese Kraft nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein. Ich glaube, dass auch unsere Fehler und Irrtümer nicht vergeblich sind, und dass es Gott nicht schwerer fällt, mit ihnen fertig zu werden, als mit unseren vermeintlichen Guttaten. Ich glaube, dass Gott kein zeitloses Fatum [Schicksal] ist, sondern dass er auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten
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