Die Kunst, frei zu sein
Solarzellen, Wärmepumpen oder Brennstoffzellen liefern, sind sehr erfolgreich. Auch mittelalterliche Techniken wie Wasserräder und Windmühlen kommen wieder in Mode. Wir begreifen allmählich, dass die Forderung nach erneuerbarer Energie keineswegs spinnerhaft, sondern vernünftig ist – und billiger als die ineffiziente konventionelle Stromversorgung. Ich vermute, dass die Erzeugung zumindest eines Teils deiner eigenen Elektrizität ähnliche Emotionen hervorruft wie der Anbau von eigenem Gemüse: Es ist ein sehr angenehmes und befriedigendes Gefühl, die Abhängigkeit vom zentralisierten Verteilungssystem in einem Teilbereich überwunden zu haben. Solarzellen sind Anarchie in Aktion.
Natürlich ist es durchaus möglich, eine Art Landleben in der Stadt zu führen, wenn man damit ein – im heutigen Jargon – nachhaltiges Leben vor Augen hat. Mein in der Stadt wohnender Freund Graham Burnett machte mich mit der Permakultur-Bewegung bekannt. Dies ist eine Lebensweise, die ein Mann namens Bill Mollison in Australien ersann. Der Permakultur liegt die Idee zugrunde, Lebenssysteme aufzubauen, welche die Erde und andere Menschen nicht ausbeuten; sie sollen mit der Natur verschmelzen, sich dem Alltagsleben und der Umgebung anpassen und zudem wenig Arbeit erfordern. Permakultur ist praktizierter Müßiggang. Die Zeitschrift Permaculture zum Beispiel enthält zahlreiche Artikel über Menschen, die ihren vorstädtischen Hintergarten in wahrhafte Wälder aus Obstbäumen verwandelt haben, oder über Stadtbewohner, die ihr gesamtes Gemüse auf einer Parzelle züchten. Es ist ein praktisches Verfahren, weil wir auf diese Weise nicht gezwungen sind, alle in bäuerliche Kleinbetriebe umzuziehen und Selbstversorger zu werden. Hier wird uns gezeigt, wie man auch in der Stadt frei sein kann. Beispielsweise kann man sich einen Schrebergarten zulegen oder auf der Fensterbank Pflanzen anbauen. Grab den bürgerlichen Rasen um und pflanze Himbeer-, Stachelbeer- und Blaubeersträucher, Pfirsich- und Birnbäume. Der andere sehr attraktive Teil der Philosophie ist der, dass sie die Reflexion über die Aktion stellt: Nach der Einrichtung des Systems kann man die äußerst produktive Permakultur-Parzelle weitgehend sich selbst überlassen. Permakultur lehnt Schwerarbeit ausdrücklich ab, denn letztere läuft häufig auf übermäßige Eingriffe in die Natur hinaus. Daher ist das System ideal für Müßiggänger. Ich empfehle es.
Um unsere Städte zu regenerieren, müssen wir alle so viele Samen wie möglich ausstreuen. Wenn du einen Spaziergang machst, nimm Samen – Mohn, Mangold, Senfkohl – mit und streue sie zwischen das Unkraut auf brachliegenden Grundstücken. Dann warte ab, was geschieht. Hier ist wieder John Seymour:
Ich kann mir, eines Tages in der Zukunft, eine hoch entwickelte Gesellschaft vorstellen, in der einige in Städten von menschlicher Größe leben und andere über eine gut gepflegte Landschaft verstreut sind, alle voneinander abhängig und doch in mancher Hinsicht sehr unabhängig, wobei die Städte ihren Beitrag zu den Landgebieten leisten und umgekehrt. Dies wäre keine stark mechanisierte oder industrialisierte Gesellschaft, sondern eine Gesellschaft, in der die wahren Künste der Zivilisation ein hohes Niveau erreichen, in der Literatur, Musik, Drama, die bildenden Künste und das Kunsthandwerk, die zum guten Leben führen, von allen Menschen praktiziert und geschätzt werden. Dies wäre keine »Rückwendung«, was immer das bedeutet. Es wäre, wenn man in solchen imaginären Fortschritten denken will, ein »Vorangehen« in ein Goldenes Zeitalter. Das perikleische Athen war gar kein so schlechter Ort, von ein paar Sklaven abgesehen. Wenn wir einen Weg finden könnten, das gleiche Ergebnis ohne Sklaven zu erzielen, dann hätten wir etwas sehr Verdienstvolles geleistet.
Was die Landwirtschaft betrifft, kann man die Menschen des Mittelalters als Permakulturisten bezeichnen: Die Systeme waren nachhaltig. Es gab keine Belastung, keine Intensivnutzung der Böden; vielmehr betrieben die Bauernhöfe eine Mischwirtschaft. Das Land befand sich in vielen Händen und war meist in kleine Grundstücke aufgeteilt. Zudem recycelten die Menschen alles ohne Hilfe durch die Ortsbehörden. Das Geld blieb in der lokalen Wirtschaft, statt von Supermärkten abgesaugt zu werden. Man kannte keine Autos, und die Bewohner bauten ihre Häuser weitgehend selbst. Streitigkeiten schlichtete man vor Ort. Es gab keine Plastikverpackungen und
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