Die Kunst, frei zu sein
deshalb kaum Müll: ein Paradies für Permakulturisten. Heute haben wir die Möglichkeit, all die guten Ideen, die in der mittelalterlichen Lebensweise steckten, ohne die Dominanz des Klerus zu übernehmen.
Wenn du deine Lebenseinstellung und entsprechend dein Verhalten geändert hast, spielt es also letztlich keine Rolle, ob du fröhlich in der Stadt oder auf dem Land wohnst. Du brauchst die Stadt nicht zu verlassen, um dem Stadtleben zu entgehen.
PACHTE EINEN
SCHREBERGARTEN
6
Schluss mit dem Klassenkampf
Numquam libertas gratior exstat
Quam sub rege pio.
(Nie tritt die Freiheit angenehmer hervor
als unter einem gottesfürchtigen König.)
Claudianus, 370 – ca.404 n.Chr.
Als Adam grub und Eva spann,
Wer war da der Edelmann?
Spruch der aufständischen mittelalterlichen Bauern
Unser heutiges Klassensystem entspricht in etwa der dreistufigen Struktur, die sich im frühen Mittelalter entwickelte. Die drei Klassen bestanden aus den Bauern, den Geistlichen und den Adligen. Die Bauern (laboratores) bearbeiteten das Land, die Geistlichen (oratores) lasen, schrieben, reflektierten, beteten und kümmerten sich um die Armen, während die Adligen (bellatores) in den Krieg zogen. Ich hätte nichts dagegen gehabt, einer jener Klassen anzugehören, denn sie scheinen weit mehr Vorzüge gehabt zu haben als unsere jetzigen: Der heutigen Arbeiterschaft anzugehören heißt, man geht einer langweiligen Tätigkeit nach und macht Schulden; Teil der Mittelschicht zu sein bedeutet, man geht einer langweiligen Tätigkeit nach und macht noch größere Schulden; und wer Mitglied der Oberschicht ist, hängt herum, streitet sich mit Familienmitgliedern und verkauft nach und nach seine Anwesen und seinen sonstigen Besitz, um die Steuern bezahlen zu können.
Ja, ich wäre als mittelalterlicher Bauer, Geistlicher oder Adliger glücklich gewesen. Wahrscheinlich habe ich am meisten mit den Geistlichen gemein, da Lesen und Schreiben meine Hauptbeschäftigungen sind, aber mir gefällt der Gedanke, auch etwas von einem Bauern an mir zu haben, weil ich gern den Boden, in Gestalt meines Gemüsebeets, bestelle, und ein bisschen von einem Adligen, da ich es liebe, herumzuhängen und nichts zu tun. Ich möchte also in meiner eigenen Person die besten Aspekte der drei Klassen vereinen.
Erstaunlicherweise bot das mittelalterliche System im Grunde mehr, nicht weniger Gleichheit als das heutige. Schaut man sich Gutsverzeichnisse zwischen den Jahren 1100 und 1500 an, so sticht einem der hohe Grad an wirtschaftlicher Gleichheit ins Auge. Mit Ausnahme des Gutsherrn befanden sich alle auf dem gleichen Niveau. Das ist das Paradoxon der mittelalterlichen Autorität: Sie schuf mehr Freiheit. Von Jesus inspirierte Kleriker predigten, dass alle Menschen vor Gott gleich seien; der Fürst sei nicht besser als der Bauer, wodurch Ersterem ein gewisses Maß an Bescheidenheit und Letzterem ein gewisses Maß an Adel vermittelt wurde. Der Mittelalterspezialist Jacques Le Goff meint, über jeder mit dem Land verbundenen Aktivität habe ein »Heiligenschein« geschwebt. Wer den Boden bestellte, stand Gott näher. Und in der demokratischen Troubadour-Kultur des südlichen Frankreich erklärten etliche Dichter, Adel sei eine Frage des Charakters, nicht der Geburt, und deshalb für den Bauern, den Bürger und den Edelmann gleichermaßen erreichbar. In England erkauften sich Leibeigene die Freiheit, und Bauern wurden zu Freisassen. Das war die Schicht, zu der Chaucers selbstbewusster, wohlhabender und großzügiger Gutsbesitzer zählte. Es hieß,
dass sich der Tisch in seinem Haus vor Essen
und Trinken und allen Köstlichkeiten, die man sich
überhaupt vorstellen konnte, nur so bog.
Sogar Bischöfe stammten aus den unterschiedlichsten sozialen Schichten, die erheblich durchlässiger waren, als man der Epoche gemeinhin zuschreibt, besonders im Spätmittelalter. Und die damalige Mittelschicht, zu der beispielsweise die Landbesitzer gehörten, wussten im Gegensatz zum heutigen Bürgertum ihre Freiheit zu schätzen. Dazu der Historiker M.H. Keen: »Der Wohlstand solider Menschen der mittleren Ränge hatte … eine tiefgreifende Wirkung auf den englischen Nationalcharakter. Sie ermöglichten den Engländern, der Tyrannei zu widerstehen.«
Heutzutage arbeiten wir alle zu schwer für andere und tun unkreative und langweilige Dinge. Wir haben uns der Tyrannei der Arbeitsethik unterworfen. Sogar einige Aristokraten haben eine Arbeit angenommen und scheinen recht stolz darauf zu
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