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Die Kunst, frei zu sein

Die Kunst, frei zu sein

Titel: Die Kunst, frei zu sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hodgkinson
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durchschnittliche Menschen. Sie haben Elend gesehen, haben gelitten, haben ihre Furcht überwunden, und nun können sie, ohne Angst vor Hunger oder Entbehrung, hinaus in die Welt gehen. Sie sind unabhängig und auf die Gemeinschaft orientiert.
    Es ist unsere angeborene Dummheit, die uns furchtsam macht. Wir können nicht genug für uns selbst tun und verlassen uns deshalb auf andere, was uns einschüchtert. Außerdem hat man uns seit den Tagen der protestantischen Revolution mitgeteilt, wir seien mehr oder weniger allein auf dieser Welt, wir dürften niemandem vertrauen und müssten einsam und schweigend leiden. Welch ein Unterschied zu der alten »Bruderschaft des Menschen« vor 1500, als wir alle miteinander verbündet waren.
    Auch sollten wir einen kritischen Blick auf die Beziehung zwischen Ego und Furcht, zwischen Dünkel und Angst, werfen. Wir wagen nichts Neues, weil wir fürchten, dass es uns nicht gelingt. Deshalb tun wir lieber überhaupt nichts. Das erinnert an Withnail in Bruce Robinsons brillantem Film Withnail und Ich : »Ich will nicht die Zweitbesetzung für Constantin sein«, brüllt er selbstgefällig in der roten Telefonzelle zu seinem Agenten in London hinüber, »ich will die Rolle spielen!«
    Ich vertrete die existenzielle Auffassung, dass alles absurd ist und dass ein Ding im Wesentlichen nicht besser als ein anderes sein kann. Das Leben dreht sich um das Nichts, also sollte man sich ein eigenes Leben aufbauen und es genießen. Alles ist eitel, Erfindung, Konditionierung, selbst erschaffen. Sartres Das Sein und das Nichts ist nicht leicht zu lesen, aber es enthält viele schöne Passagen, und die Philosophie, obwohl abstrakt, ist durchaus praktisch. Meiner Meinung nach ist sie nicht allzu weit von der orientalischen Achselzuckerei des Taoismus oder sogar vom fatalistischen Christentum Thomas von Aquins entfernt, das uns lehrt, der Vorsehung zu vertrauen und auf jegliches Streben zu verzichten. Wenn Thomas die Bibelworte »Alles ist eitel« zitiert, könnte er genauso gut sagen: »Das Leben ist absurd.« All die Hast und all der Schweiß für etwas, das damals »Ehre und Reichtum« genannt wurde und heute »berufliches Weiterkommen« heißt, sind völlige Zeitverschwendung. Das wirkliche Leben ist eine Erfindung. Eitelkeit und Absurdität sind das Gleiche: reine Schöpfungen der menschlichen Fantasie, ganz und gar ohne Sinn. Deshalb ist es besser, dein eigenes Leben zu schaffen. Beide Philosophien lehnen auch Sklaverei, Knechtung und Ausbeutung entschieden ab.
    Obwohl sich Tolstoi und Gandhi überzeugend zu Fragen des Krieges und der Gewaltlosigkeit geäußert haben, würde ich mich nicht scheuen, militärische Metaphern für das Leben zu benutzen. Etwas wirklich Edles haftet dem Krieger alter Zeiten an, der furcht- und selbstlos für etwas Höheres als die Rettung seiner eigenen unwichtigen Haut kämpfte. Deshalb bezeichnete man im Altertum otium (Muße) und bellum (Krieg) als noble Lebensweisen, im Gegensatz zu dem kleinlichen, eitlen Lebensstil der Arbeits- und der Geschäftswelt. Kurz, den Denkern und Kämpfern, den oratores und bellatores, sind die Hoden nicht durch Oberschwester Ratched abgeschnitten worden. Aber heute sind die Denker und Kämpfer fast ganz verschwunden, oder sie dienen nur noch der Ablenkung. Und die Armee erklärt, sie habe den Auftrag, »eine Aufgabe zu erledigen«, und genau das tut sie.
    Reiß die Schalttafel ab und wirf sie aus dem Fenster. Wir müssen hinausgehen, unsere Stimmen erschallen lassen, fröhlich lächeln, anderen zuwinken. Verabschiede dich von jenem Frösteln der Furcht, dem Sonntagabend-Gefühl, dem Grausen vor einer Konferenz, dem flauen Gefühl im Magen, wenn du einen Brief vom Finanzamt erhältst. Hab keine Angst! Solche Briefe werden von verschreckten kleinen Kaninchen, von Billy Bibbits, verschickt, die in stickigen Büros sitzen, aus dem Fenster schauen, sich sexuellen Träumereien hingeben und sich um ihren Arbeitsplatz sorgen. Sie existieren nicht!
    Als mir besagte Gerichtsvorladung wegen Fahrens ohne Versicherung zugestellt wurde, war ich zunächst eingeschüchtert und empört. Dann beschloss ich, darüber zu lachen. Es ist ein Abenteuer, und selbst wenn mir ein Fahrverbot erteilt wird – was macht das schon? Ich versuche ohnehin, das Auto weniger oft zu benutzen. Wir geben jährlich ungefähr 5000 Pfund für unseren Wagen aus. Damit kann man eine Menge Eisenbahnkarten und Taxifahrten bezahlen. Also los, haut auf den Putz! Ich werde die

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