Die Kunst, gelassen zu erziehen
Blick auf das innere Wesen des Kindes?
Erfahrungsbericht
Silke, 32, kurz nach der Geburt ihres ersten Kindes:
Mein erster Gedanke, als ich meine kleine Tochter nach der Geburt in den Armen hielt, war: Wie perfekt ist mein Baby – es wirkt so ganz bei sich selbst! Ich sah eine scheinbar erfahrene, vollkommene Seele aus den Augen meines Kindes strahlen. Was hatte ich eigentlich erwartet? Jedenfalls nicht, dass ich einen »richtigen« Menschen zur Welt bringen, ein scheinbar vollendetes Wesen in Empfang nehmen würde. In den Wochen nach der Geburt war ich oft traurig, denn ich hatte Angst, dass ich eigentlich nur noch etwas falsch machen kann.
Später fand ich dann das Bild eines Mandalas für diese Erfahrung: Ich stelle mir vor, die Seele befindet sich bei der Geburt im Zentrum, aus dem sie sich nach außen wegbewegen wird, um später wieder zu sich, zu ihrem Kern zurückzukehren – dann allerdings gereift um die Erfahrung eines Lebens. Diese Vorstellung gefällt mir sehr.
Auserwählte Eltern?
In der buddhistischen Kultur können wir neue Impulse finden, denn hier ist diese Sicht auf ein Neugeborenes ganz selbstverständlich. Durch den vorherrschenden Glauben an die Wiedergeburt erwartet niemand, bei der Geburt ein »unbeschriebenes Blatt« in Empfang zu nehmen. Vielmehrwird davon ausgegangen, dass die wiedergeborene Seele des Kindes schon viel erlebt haben könnte und noch viel erleben wird. Und vielleicht ist sie sogar ein hoch entwickelter geistiger Lehrer, der in unserem Haus Einzug hält? Dadurch ist die buddhistische Erziehung von einem TIEFEN RESPEKT für jedes einzelne Kind geprägt, und es ist in dieser Tradition undenkbar, ein Kind abfällig oder herablassend zu behandeln.
Vielen Eltern – auch hierzulande – gefällt die Vorstellung, dass sie von ihrem Kind quasi auserwählt wurden, dass es auf jeden Fall kein Zufall war, dass es ausgerechnet zu ihnen gekommen ist. Es erfüllt sie mit Freude, Stolz und Dankbarkeit, auch mit einem besonderen Verantwortungsgefühl. Und sie genießen es, in ihren Kindern Eigenschaften und Potenziale zu entdecken, die ihnen selbst fehlen, die sie bereichern und in ihrer eigenen Entwicklung fördern. Auch wenn das Leben mit Kindern eine große Herausforderung sein kann, so birgt es für Eltern doch einmalige Möglichkeiten zum inneren Wachstum.
Auf die Suche gehen
Wenn das für Sie ein neuer Aspekt ist, können Sie mit folgender Übung einfach einmal ausprobieren, was diese Vorstellung in Ihnen auslöst. Doch egal ob wir an die Wiedergeburt glauben oder nicht, wir können uns jederzeit auf die Suche nach unserem INNEREN WESEN begeben und auch die wesenseigene Schönheit in unseren Kindern entdecken.
Nehmen Sie sich für die folgende Achtsamkeitsübung also ein wenig Zeit, und sorgen Sie dafür, dass Sie möglichst ungestört
sind. Stellen Sie für die Dauer der Übung alles beiseite, was Sie im Moment gerade beschäftigt. Dann nehmen Sie Ihre bevorzugte, möglichst aufrechte
Haltung ein, atmen ein paarmal ruhig ein und aus und lassen sich einige Minuten Zeit, um erst einmal bei sich selbst anzukommen.
ÜBUNG
Ihr Kind – ein offenes Geheimnis
Wenn Sie bereit sind, begeben Sie sich auf eine Reise zurück zu den ersten Tagen mit Ihrem Kind, vielleicht zu seiner Geburt. Selbst wenn diese schwierig oder gar traumatisch war – alle Beteiligten haben es überlebt, und nun gehen Sie ein Stück Ihres Lebensweges gemeinsam.
Stellen Sie sich einfach vor, dass diese Erde so etwas wie ein Lernfeld für Seelen ist – eine Umgebung, in der sie wachsen und sich entwickeln können. Und dass jede Seele – also auch Ihr kleines, gerade angekommenes Kind – dabei in eine Situation geboren wird, die für sie die entsprechenden Erfahrungsmöglichkeiten bietet.
Machen Sie sich nun bewusst, dass Ihr Kind Sie und Ihre Familie ausgewählt hat. Was empfinden Sie bei dieser Vorstellung? Bedenken, Zweifel, Euphorie – alles darf auftauchen. Nehmen Sie diese Gefühle einfach nur wahr, lassen Sie sie dann weiterziehen, und beurteilen Sie nichts.
Öffnen Sie nun bewusst Ihr Herz für das innere Wesen Ihres Kindes, und versuchen Sie zu erspüren, was es für Ihr Kind bedeutet, sich in Ihre Obhut zu begeben. Können Sie fühlen, wie sehr es Ihre Zuwendung braucht, es gesehen und geliebt werden möchte, so wie es ist? Wie es in Liebe mit Ihnen verbunden sein möchte und sich gleichzeitig den Freiraum wünscht, es selbst zu sein und über sich hinauszuwachsen?
Als Begleitung für diese Reise hat
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