Die Kunst, nicht abzustumpfen
National und frei« bedruckt. Nach dem Waschen stand da allerdings: »Was Dein T-Shirt kann, kannst Du auch. Exit: Wir helfen Dir, Dich vom Rechtsextremismus zu lösen www.exit-deutschland.de .« Selbst ein Mitglied der rechten Szene schrieb später anerkennend: »Aber man muss ihnen anrechnen das se manchma auf gute ideen kommen.« (Initiative 2011, 10)
Sommer 2011: Bei den Protesten gegen das Regime von Baschar al-Assad engagiert sich eine Gruppe syrischer Studenten und Akademiker mit besonderem Einfallsreichtum.
Etwa indem sie Transparente mit großen Helium-Ballons aufsteigen lassen; seit die Polizei die Ballons herunterschießt, werden sie von den Aktivisten mit winzigen Flugblättern gefüllt, die auf den Boden rieseln. Oder indem sie 5.000 Pingpongbälle per Filzstift mit Forderungen nach Gerechtigkeit und Freiheit beschriften. Damit fahren sie an den Rand des Luxusviertels Malki, gelegen auf einem Hügel über Damaskus. Das Auto hält für wenige Augenblicke, die Tür wird geöffnet und 5.000 Pingpongbälle rauschen hügelab, vorbei an Assads Villa (Pingpongbälle 2011, 112).
4. Zweifel am Erfolg
Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat – ohne Rücksicht darauf, wie es ausgeht.
Vaclav Havel
Viele Menschen bringen sich mit ihren Emotionen, Gedanken und ihrer Kreativität nicht in die Gesellschaft ein, weil sie sich sagen: »Was bringt das schon? Der Einzelne kann sowieso nichts bewirken!« Hinter dieser Haltung steht eine Erfolgserwartung, die charakteristisch für die modernen westlichen Gesellschaften ist: Wir sind darin eingeübt, nur dann zu handeln, wenn absehbar ist, dass diese Tat erfolgreich sein wird. So würde man z. B. nur ein bestimmtes Produkt herstellen, wenn auch die Aussicht besteht, dass es dafür genügend Kunden und demzufolge Gewinne gibt.
Tatsächlich fühlen sich Erfolge sehr angenehm an. Wenn wir mit einer Handlung erfolgreich waren, wird ein körpereigenes Belohnungssystem aktiviert. Dieses bewirkt, dass vom Gehirn vermehrt der Botenstoff Dopamin ausgeschüttet wird, der Glücksgefühle produziert: Erfolg macht glücklich.
Es gibt jedoch Situationen, in denen die Auswirkungen unseres Handelns nur schwer abzuschätzen sind oder, wenn überhaupt, vielleicht erst sehr viel später sichtbar werden. Vor allem in Bezug auf die globalen Krisen und Katastrophen erscheint die Chance äußerst gering, erfolgreich zu sein: Was könnte ein einzelner Mensch schon tun, um die Gewalt in der Welt zu stoppen, den Klimawandel zu verhindern, die Armut in der Welt zu beenden (um hier nur einige der Problemfelder zu nennen)? Insofern scheint der pessimistische Einwand gerechtfertigt: »Was bringt es schon, sich zu engagieren?!«
Freilich kommt es darauf an, was wir unter »Erfolg« verstehen. Der pessimistische Einwand ist nur plausibel, solange
Erfolg als etwas »Äußerliches« definiert wird: Solange er daran gemessen wird, inwieweit das eigene Handeln andere Menschen bzw. die Welt verändert hat (bzw. ob unser »Produkt« von genügend vielen »Kunden« gekauft wurde und »Gewinn« eingebracht hat).
Es gibt freilich eine ganz andere Definition von Erfolg, die für die Haltung der Hoffnung grundlegend wichtig ist: Demnach liegt der Erfolg unseres Handelns ganz allein in der Tatsache, dass wir handeln – unabhängig davon, inwieweit damit die Welt verändert wird. Daniel Berrigan (1999) spricht von der Verführung durch die Idee, gute Werke müssten schnelle, sichtbare Veränderungen bewirken. Dagegen setzt er »die ältere spirituelle Vorstellung, dass gute Werke in sich selbst gerechtfertigt sind und die Resultate in anderen Händen liegen. (…) Es ist nicht unsere Aufgabe, populär zu sein oder als wirkungsvoll zu gelten, sondern die tiefsten, uns bewussten Wahrheiten auszusprechen. Wir müssen unser Leben gemäß diesen tiefsten Wahrheiten gestalten, auch wenn dies keine sofortigen Erfolge in unserer Welt hervorbringt.«
Diese Haltung kommt auch in dem Satz zum Ausdruck, der Martin Luther zugeschrieben wird: »Und wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, so würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.« Elie Wiesel (zit. in: Feldmann 2010, 21) sagt über sein Engagement: »Anfangs glaubte ich, ich könnte die Menschheit ändern. Heute weiß ich, dass ich dazu nicht in der Lage bin. Durch meine Worte, durch meinen Protest will ich die Menschheit daran hindern, dass sie am Ende mich verändert.«
Die
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