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Die Kunst, nicht abzustumpfen

Die Kunst, nicht abzustumpfen

Titel: Die Kunst, nicht abzustumpfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Marks
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oder Abgeordnete zu formulieren. Daran anschließend wurden drei Blockaden diskutiert, die viele Menschen am Verfassen eines solchen Briefes hindern: Die Angst davor, eine abweichende Meinung öffentlich zu machen sowie die Zweifel an den eigenen Fähigkeiten und am Erfolg. Ich hoffe, diese Abschnitte konnten Ihre Zweifel ein wenig relativieren.
    Daher möchte ich Sie nun ermutigen, Ihre Notizen wieder aufzugreifen und daraus etwas zu gestalten: in einem Medium, das Ihnen vertraut und wichtig ist; vielleicht eine Skulptur, eine Melodie oder ein Plakat. Wenn es z. B. ein Text wird, dann darf dieser auch kurz und unperfekt sein. Denn Sie müssen darin nicht nachweisen, dass Sie (um das Beispiel Atomenergie zu nehmen) Experte in Atomphysik und in AKW-Kühltechnologie und in Erdbebenkunde und in Strahlenmedizin usw. sind. Ich kenne viele politisch engagierte Menschen, die sich ein unglaubliches Expertenwissen angeeignet haben; dies ist anzuerkennen.
    Umfangreiches Wissen darf jedoch nicht die Voraussetzung sein, ehe wir uns überhaupt äußern, zumal nicht jeder die Möglichkeiten hat, sich umfassend zum Experten weiterzubilden. Zumal Expertenwissen nicht vor verhängnisvollen Fehlern schützt, wie z. B. Tschernobyl und Fukushima zeigen (Weber 2011, 30). Harald Welzer (zit. in Weber 2010, 31) warnt vor allzu großer Ehrfurcht gegenüber sogenannten »Experten« und ermutigt die Menschen, ihrem eigenen Urteil zu trauen: »Die Entscheidung, ob etwas richtig oder falsch sein könnte, bemisst sich nach anderen Kriterien, zum Beispiel: ob es schädlich ist, ob es gefährlich ist, ob es zukunftsbehindernd ist.«

    Als Bürger der Bundesrepublik Deutschland ist jeder von uns mitverantwortlich für die Gestaltung unserer Gesellschaft und unseren Umgang mit der Schöpfung. Was wir dazu fühlen, denken und erhoffen: darin ist jeder Mensch sein eigener Experte. Und genau das sollte im Text zum Ausdruck kommen. Lassen Sie den Entwurf eventuell über Nacht liegen. Zeigen Sie ihn einer Person Ihres Vertrauens und bitten um Rückmeldung. Entsprechend überarbeiten Sie den Text und schicken ihn weg. Nun dürfen Sie Ihren Erfolg genießen – ganz unabhängig davon, ob Sie je erfahren, was Ihre Aktion vielleicht bewirkt hat.
     
    In den folgenden Abschnitten möchte ich versuchen, die Haltung der Hoffnung noch etwas klarer herauszuarbeiten. Als Ausgangspunkt wähle ich einen Satz, den ich bei politischen Versammlungen, Informations-Ständen, Diskussionen und anderen Aktionen unzählige Male gehört habe: »Dagegen muss man doch etwas tun!«
    In diesem Satz drückt sich zunächst eine Absicht aus, aktiv zu werden, sich zu engagieren. So weit, so gut. Auch Empörung kann ein wichtiger erster Schritt sein, ein Anfang – aber noch nicht der Weg. Denn so begrüßenswert der erste Impuls ist, sich zu engagieren – so wesentlich ist es auch, ihn in konstruktiver Weise zu gestalten.
    Im genannten Satz zeigt sich bei genauerer Betrachtung eine Haltung, welche die Gefahr in sich birgt, dass die betreffende Person früher oder später ausbrennt und in Pessimismus verfällt. Schon manch gutgemeinter Aufbruch ist in vermeidbare Enttäuschung umgeschlagen. Daher lohnt es sich, die Haltung , mit der Menschen sich engagieren, sorgfältig anzuschauen.

5. »Dagegen«
    Wenn Du ein Schiff bauen willst,
so trommle nicht Männer zusammen,
um Holz zu beschaffen, Werkzeuge vorzubereiten,
Aufgaben zu vergeben
und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer
die Sehnsucht nach dem weiten endlosen Meer.
    Antoine de Saint-Exupéry
     
    Beginnen wir mit einer kleinen Übung: Sprechen Sie das Wort »Nein!« aus und beobachten Sie dabei Ihre Stimme, Körperhaltung und Empfindungen. Anschließend tun Sie dasselbe mit dem Wort »Ja!« Wechseln Sie ein paar Mal zwischen den beiden Worten. Sie werden wahrscheinlich bemerken, dass Ihre Stimme und ihr Körper beim »Ja!« klarer und kräftiger sind und dass sich dieses Wort viel offener und »bereit für Neues« anfühlt als das »Nein!«
    Eine weitere Übung (nach Payne 1981, 38), zu der Sie die Mitwirkung einer zweiten Person benötigen, die vorzugsweise etwa dieselbe Größe und Muskelstärke haben sollte. Vereinbaren Sie zunächst, wer von Ihnen zuerst die Rolle A und wer die Rolle B einnimmt.
    Im ersten Schritt strecken Sie (Person A) Ihren rechten Arm aus, und Person B versucht, diesen Arm zur Seite zu drücken. So gewinnt B einen ungefähren Eindruck von der Stärke Ihrer Arm-Muskulatur. Im zweiten

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