Die Kunst, nicht abzustumpfen
Schöpfung, gegen Aufrüstung, Kriege, Hunger und Unterdrückung. Dabei sehen sich die Künstler (abgesehen von wenigen Ausnahmen) nicht auf der Seite der Machthaber, sondern auf der Seite des Volkes (Döring 2011).
Politische Kunst und kreative Politik: Leidenschaftlich hat sich Robert Jungk (1990) für die politische Fantasie engagiert. Um das politische Leben unserer Republik lebendiger zu machen, sollten kreative Formen von Bürger-Beteiligung schon von früh an eingeübt werden. Insbesondere der schulische Kunst- und Musik-Unterricht sollten »Räume« werden, in denen die Heranwachsenden von klein an darin begleitet und unterstützt werden, ihre Emotionen und Gedanken über die Welt – ihre Erschütterung, Ängste, Schrecken, Trauer, Empörung, Wut, Scham, Verzweiflung angesichts der Gewalt, Ungerechtigkeit und Naturzerstörung – in kreativer Weise zum Ausdruck zu bringen. Tatsächlich sind zahllose Kunstwerke aus dem Leiden über die Welt entstanden (etwa Guernica von Pablo Picasso), ebenso wie leidenschaftliche Musik (wie z. B. Spirituals, Blues, Rembetiko u. v. a.).
Ein so verstandener Kunst- und Musikunterricht wird durch Lehrpläne durchaus ermöglicht; z. B. in Baden-Württemberg:
Unterrichtsziel sind »freie, handlungsfähige und gesellschaftsfähige Menschen«, die die Welt »erleben und mitgestalten können.« (Ministerium 2004) Auf diese Weise könnte schon von klein an gelernt und eingeübt werden, dass politisches Engagement viel breiter und lebendiger sein kann als das, was traditionellerweise darunter verstanden wird. Es muss, in der Tat, nicht immer ein Brief sein. Kreativität ist in der Arbeit für Frieden, Gerechtigkeit und Naturbewahrung überaus wünschenswert. Dies möchte ich an einigen Aktionen illustrieren:
Edith E. schildert die Women’s Pentagon Action von 1983: »Zuerst wurde Trauer ausgedrückt. Dazu wurden riesige Puppen hereingetragen mit dem Transparent: ›Wir trauern‹. Jede von uns hatte eine Grabtafel vorbereitet in Gedenken an die Frauen, die durch Gewalt getötet worden waren und die wir betrauerten. Meine Tafel lautete: ›Für die drei Frauen, die mein Schwiegersohn in Vietnam getötet hat.‹ Zuerst wertete ich das Ganze ab: Das ist unecht, künstlich, gespielt. Aber dann las ich die Tafel der Frau neben mir und hörte sie weinen, und dann kam die Trauer auch über mich … Wir waren mehrere Tausend Frauen, und wir drückten etwa eine halbe Stunde lang unsere Trauer aus. Dann kamen die Trompeten und die Ärger-Puppen herein und riefen uns von der Trauer zum Ärger. Ich war vielleicht sauer! Wut! Wut! Wut … Wir verwendeten Ausdrücke, die wir normalerweise nicht in den Mund nahmen, schlugen auf den Boden, stampften und schrieen. Und schließlich die Ermutigung. Wir marschierten ganz ums Pentagon rum, umkreisten es, belagerten es …«
Christiane E. berichtet über eine Aktion, die im September 1983 in Genf stattfand: »Nach sechs intensiven Wochen mit zahlreichen Aktionen an den militärischen Einrichtungen entlang unseres Weges, erreichte unsere Friedenswanderung Genf. Vor der sowjetischen Militärmission, die damals
mit den USA über die nuklearen Mittelstreckenraketen (INF-Verträge) verhandelte, standen wir im Kreis, vielleicht hundert Menschen, Körper eng an Körper, die Köpfe leicht nach vorne gebeugt, eine Höhle bildend. Ich singe den Ton ganz aus der Mitte meines Körpers zum Klang ›A‹ – jede/r von uns singt seinen oder ihren Ton aus der Mitte. Diese hundert Klänge verschmelzen zu einem gemeinsamen Klang: Wir singen – tönen – atmen einen gemeinsamen Klang: schrill, dissonant und kraftvoll, wie ein unsichtbarer Körper, der zwischen uns ist, nein, der wir sind: ein Klang-Körper. Wie das verwirrende Summen und Sirren, wenn Du inmitten eines Bienenschwarms bist, der auch mehr ist als das bloße Summen einzelner Bienenstimmchen.«
Die Initiative »Exit« unterstützt ausstiegswillige Rechtsextremisten beim Ausstieg. Um ihr Angebot in der rechten Szene bekannter zu machen und jüngere, noch nicht gefestigte Rechtsextremisten anzusprechen, nahm die Organisation mit erfundenen Personalien Kontakt mit der NPD Thüringen auf, die am 6. August 2010 in Gera das Festival »Rock für Deutschland« veranstaltete. Den Veranstaltern wurden bedruckte T-Shirts als anonyme Unterstützung angeboten, die von den Organisatoren an die Festival-Besucher verteilt wurden. Die Shirts waren martialisch mit Totenkopf und der Aufschrift »Hardcore Rebellen.
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