Die Kunst, nicht abzustumpfen
wollen, dann müssen wir uns auch vom »Immer-schneller« verabschieden. Denn nur im Innehalten kann der Mensch einen »Instinkt für das Wesentliche« entwickeln, so der Mediziner Olaf Koob (2011) in seinem Buch »Hetze und Langeweile. Die Suche nach dem Sinn des Lebens.«
Gerade durch Leere, durch den Verzicht auf das Planen, Suchen, Wünschen, Wollen und Tun, durch äußerliche Passivität
kann sich innerlich Neues entwickeln. Langeweile ist »Inkubationszeit«, für Verena Kast die produktivste unter den Emotionen (Gühlich 2009, 27f.). Gehirnforscher haben festgestellt, dass gerade »›müßiges Nichtstun‹ die Durchblutung in bestimmten Hirnregionen anregt und damit auch schöpferische Tätigkeit.« (Romankiewicz 2010, 77)
Ein bekannter Protest-Slogan lautet: »Wehrt Euch, leistet Widerstand!« Heute muss eine der wichtigsten Widerstands-Aktionen darin bestehen, Zeiten und Inseln der Stille und der Muße zu retten. In der jüdisch-christlichen Tradition steht dafür der Sabbat bzw. Sonntag. Die Ruhe, die dieser Tag verheißt, ist für Matthew Fox (1996, 337) nicht nur eine persönliche Ruhe, sondern »ist ein Vorspiel auf die Ruhe, um die es in allen gerechten Beziehungen und in allen verbindenden Handlungen geht. Deshalb geht es dabei um Hoffnung.« Nur wenn wir die Arbeit, die wir tun, auch unterbrechen, sind wir in der Lage, »uns der Arbeit zuzuwenden, die nötig ist. Dieses Innehalten, diese Fähigkeit des Loslassens und Zulassens, ist eine geistige Tat.« (Fox 1996, 337). Dies meint auch Paulus, wenn er vom Entleeren spricht; dies meint Meister Eckhart mit Loslassen, der Buddhismus mit Nicht-tun. Rainer Maria Rilke (2007, 172) fragt sich, »ob nicht unser Handeln selbst, wenn es später kommt, nur der letzte Nachklang einer großen Bewegung ist, die in untätigen Tagen in uns geschieht? Jedenfalls ist es sehr wichtig, mit Vertrauen müßig zu sein, mit Hingabe, womöglich mit Freude.«
Im zweiten Teil dieses Buches habe ich ein Handeln für Frieden, Gerechtigkeit und Naturbewahrung beschrieben, das von einer Haltung der Hoffnung getragen ist: Ein Engagement, das auf einem grundsätzlichen »Ja!« zum Leben beruht und dem Bedürfnis, sich – ganz nach den eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten – in die Gestaltung der Gesellschaft einzubringen. Ein gesellschaftliches, ökologisches oder politisches Handeln, welches Sinn-voll und Selbst-verwirklichend ist, Ausdruck eines
integralen Bewusstseins. Die gute Nachricht ist, dass keine »falschen Verhältnisse« uns davon abhalten können, diese Haltung zu pflegen. Und dass wir damit »schon im neuen Leben« stehen.
Eine treffliche Zusammenfassung dieser Haltung finde ich in der folgenden Geschichte, von der Peter Payne (1981, 30f.) berichtet:
Ein Meister der japanischen Tee-Zeremonie aus der Provinz Tasa hatte keinerlei Fähigkeiten im Kämpfen, war jedoch von großer meditativer und spiritueller Vollkommenheit. Aus Versehen beleidigte er eines Tages einen ranghohen Samurai und wurde zum Duell herausgefordert. Er ging zum örtlichen Zen-Meister und fragte um Rat. Der Meister sagte ihm offen, dass er nur wenig Chance habe, das Gefecht zu überleben, dass er sich aber einen ehrenhaften Tod sichern könne, wenn er den Kampf angehen würde wie das förmliche Ritual der Tee-Zeremonie. Er solle seine Gedanken sammeln und dem kleinlichen Geschnatter der Gedanken an Leben und Tod keine Aufmerksamkeit schenken. Er solle geradeheraus das Schwert ergreifen wie den Löffel in der Tee-Zeremonie; und mit derselben Präzision und Gedankenkonzentration, mit der er das kochende Wasser über den Tee gösse, solle er vorwärtsschreiten, ohne an die Konsequenzen zu denken, und seinen Gegner mit einem Schlag niederstrecken.
Der Tee-Meister bereitete sich entsprechend vor und entsagte aller Angst vor dem Tod. Als der Morgen des Duells kam und der Samurai der völligen Gelassenheit und Furchtlosigkeit seines Gegners begegnete, war er so erschüttert, dass er sogleich um Vergebung bat und den Kampf absagte.
Teil III
Guter Hoffnung sein
guter Hoffnung, guter Hoffnung sein oder in der Hoffnung sein:
Synonyme für: schwanger, ein Kind erwartend, ein Kind in sich tragend, gesegneten Leibes sein, werdende Mutter sein.
Redewendung: mit etwas schwanger gehen: sich schon lange mit einem bestimmten Plan, einer geistigen Arbeit beschäftigen.
Wer eine starke Hoffnung hat, erkennt und liebt alle Zeichen neuen Lebens und ist jeden Augenblick bereit, dem, was bereit
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