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Die Kunstjaegerin

Die Kunstjaegerin

Titel: Die Kunstjaegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elis Fischer
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alle beteiligen sollten. Sie hatte ihre letzte unbekümmerte Zusammenkunft noch so gut in Erinnerung.
    Flora war als Erste erschienen, hatte im Vorzimmer mit einem dicken Stoß Kopien gewedelt und gefragt: »Weißt du eigentlich, wie viele Sustermänner in wie vielen verschiedenen Schreibweisen es gibt? Ich habe heute in der Nationalbibliothek aus allen Kunstlexika  sicherlich  100  Sustermänner  herauskopiert.  Stundenlang …«
    »Ich hole dir sofort ein Glas Chianti als Entschädigung«, hatte Theresa gekichert und war in die Küche gegangen.
    »Gut, diese Entschuldigung nehme ich an!«
    Als Theresa mit zwei Gläsern zurückkam, schob Flora den Stapel Blätter über den Tisch. »Die sind für dich. Du könntest das Bild zu deiner Diplomarbeit machen. Dann hättest du dein Kunstgeschichtsstudium in der Rekordzeit von … wie lange studierst du schon?«
    »15«, murrte Theresa.
    »Genau, in der Rekordzeit von 15 Semestern …«
    »Jahren! Ich habe nebenbei und sporadisch studiert, falls du dich erinnerst … Aber keine schlechte Idee, je mehr über Sustermans publiziert wird, desto höher steigt der Wert des Werkes.«
    »Elende Materialistin! Apropos Geld. Kommt Boris heute?«
    »Ja, er ist wieder gesund. Wenn er einmal nicht da ist, vermisse ich ihn richtig«, antwortete Theresa.
    »Ich auch, obwohl er den Mund eh nie aufmacht.«
    »Dafür haben wir ja dich.« Theresa sah schmunzelnd die Kopien von Flora durch und sagte: »Zurück zu den Sustermännern. Wir können uns auf einen bestimmten Sustermans konzentrieren. Ich habe heute Vormittag mit Hilfe von Google was rausgefunden. Es gibt nur einen, der einen Bezug zu Rubens hat: ein gewisser Justus oder Giusto Sustermans.«
    Flora blätterte in ihren Kopien und suchte die entsprechende Biografie heraus, während Theresa in die Küche huschte und ein paar Kartoffeln für das Abendessen auf den Herd stellte. Als sie sich wieder hinsetzte, fasste Flora das Gelesene zusammen: »Justus wurde 1597 in Antwerpen als eines von dreizehn Kindern geboren.
    Mit zwölf begann er seine Lehre beim Maler Willem de Vos.
    Sieben Jahre später ging er für vier Jahre nach Paris, um dort im Atelier von Frans Pourbus dem Jüngeren zu arbeiten. Pourbus kam auch aus Antwerpen, wahrscheinlich kannten sich die Familien.
    Oder vielleicht wurde Sustermans seine Heimatstadt zu eng, und er wollte die Welt und die französi
    schen Frauen sehen.«
    »Flora, bitte bleib beim Thema.«
    »Interessieren dich Sustermans Motive nicht? Hier stehen lediglich Fakten, doch da stecken Geschichten und Schick-sale dahinter. Ich könnte mir stundenlang Dramen dazu ausdenken.«
    »Ist dein Leben nicht dramatisch genug?«
    »Nein. Zurzeit ist es extrem langweilig.« Sie nahm einen Schluck Chianti und fuhr fort: »Also, Sustermans reiste nach seinen Lehrjahren in Frankreich an den Hof von Cosimo II in die Toskana. Warum er Paris verließ, weiß man nicht, aber stell dir vor: ein Boudoir, eine geheime Liebschaft, ein Duell …«
    »Stopp!«
    »Na gut«, Flora zog die Mundwinkel nach unten. »Hier die Fakten!« Sie griff zur Biografie und las vor, dass Sustermans in Florenz zum Hofmaler der Medici ernannt worden war, eine Wohnung im Palast erhalten und 60 Jahre lang für sämtliche Mitglieder der Familie gearbeitet hatte.
    »Das klingt nach Pragmatisierung, ich dachte, nur österreichische Beamte sind unkündbar«, unterbrach eine sonore Stimme. Leon war unbemerkt nach Hause gekommen. Das Knarren der alten Tür hatte Theresa ganz überhört.
    »Papa!«, rief Dino, der bis dahin selbstversunken auf dem Sofa gespielt hatte. All seine Bauklötze flogen in hohem Bogen davon, als er aufsprang, zu seinem Vater rannte und wie ein kleines Äffchen an ihm hochkletterte. Er zog einen Schmollmund und fragte: »Liest du mir was vor? Mama und Flora reden nur langweiliges Zeugs.«
    »Siehst du«, sagte Flora triumphierend. »Sogar Dino öden die Fakten an.«
    »Ich muss mich einen Moment ausruhen, dann gehen wir in dein Zimmer«, versicherte Leon seinem Sohn und stellte ihn zurück auf den Boden.
    Während Dino davonsprintete, um ein Buch zu holen, öffnete Leon eine Flasche Bordeaux und schenkte etwas Wein in ein Glas.
    »Der muss noch atmen«, sagte er. »Wenn die Jungs kommen, ist er perfekt. Mal etwas anderes, als ewig nur Chianti.«
    »Och, wieso denn? Ich mag ihn«, murrte Flora. »Der erinnert mich an unsere wilde Jugend.«
    »Papa, komm schon!«, rief Dino, der mit dem dicksten Wälzer, den er besaß, in der Tür

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