Die Kunstjaegerin
sollte.«
»War nur ein Scherz. Ich werde die Spuren, die die fürstliche Familie im Netz hinterlassen hat, überprüfen«, versicherte Boris.
»Ich mache die Vignettenanalyse«, sagte Paul.
»Gut, ich versuche das Rätsel der Darstellung zu lösen«, erwiderte Theresa. »Es sollte doch möglich sein herauszufinden, wer da gekrönt wird, oder?«
»Ah, da fällt mir Onkel Oskar ein«, warf Leon ein. »Er war Priester. Wenn es eine biblische Krönung ist, dann weiß er es mit Sicherheit. Ich schicke ihm eine Mail.«
»Ich forsche über Justus’ Biografie weiter, vielleicht entdecke ich ein paar uneheliche Kinder«, sagte Flora.
»Wenn du eine Liaison mit Rubens entdecken würdest, wäre es besser«, meinte Paul und trank den letzten Schluck Wein.
»Apropos Rubens …« Theresa sah Leon fragend an.
»Reicht es nicht, dass ich die Restaurierung bezahle? Ich habe da einige anstrengende Projekte in nächster Zeit … Na gut, ich schau mir Rubens an.«
Flora gähnte. »Ich rufe mir ein Taxi.«
»Wenn du möchtest, fahre ich dich. Ich habe im Gegensatz zu euch nur ein Glas getrunken«, bot ihr Boris an, bevor er fragte: »Übrigens, würdet ihr mich in drei Wochen nach Italien begleiten?
Ich bekomme für die Arbeit meines Hilfsfonds den Humanitätsaward der UNICEF verliehen. Der Preis wird alle zwei Jahre vergeben und dieses Jahr findet die Zeremonie in Florenz statt. Außerdem habe ich dort gerade eine Villa gekauft.«
»Damit rückst du jetzt erst heraus?«, erwiderte Theresa überrascht.
»Ich könnte solche bombastischen Neuigkeiten nicht so lange für mich behalten«, bekräftigte Flora.
»Schweigen ist für dich doch ein Fremdwort, meine Liebe.«
Paul hatte gegrinst und sein Glas mit einem Schluck geleert.
»Der Termin ist Mitte November. Wir werden beim nächsten Jour fixe darüber reden, gut?«
»Das lasse ich mir nicht zweimal sagen: Florenz, Siena, San Gimignano … das ist Inspiration pur, ich bin dabei«, hatte Flora geschwärmt und ihre Jacke angezogen.
Auch Paul war begeistert gewesen. »Ich muss in meinen Kalender schauen. Wenn ich keine Vorlesungen habe, sage ich nur: Bon voyage!«
Beschwingt und voller Vorfreude waren sie auseinander-gegangen. Wie hatten sie sich getäuscht! Theresa stand auf, um nach Floras Besuch die Küche aufzuräumen. War dieses unbeschwerte Abendessen wirklich erst vor sechs Tagen gewesen?
Ihr kam es wie eine Ewigkeit vor. Inzwischen war das Bild gestohlen und Wenz tot. Und dieser komische Kommissar schien sie zu verdächtigen. Lächerlich!
Während sie das Kaffeegeschirr in den Spüler schlichtete, überlegte sie, ob sie mithelfen konnte, den Mord aufzuklären. Und eventuell die ›Krönung‹ wiederzufinden. Oder suchte sie nur wieder Ausflüchte, um ihrer Arbeit aus dem Weg zu gehen?
Erwischt!
Seufzend sah sie auf die Uhr. Noch eine Stunde, bis sie Dino abholen musste. Zeit genug, um an den Zeichnungen für das Kinderbuch weiterzuarbeiten. Heute wollte sie den David, der die Regenbogenmaschine findet, entwerfen. Theresa setzte sich ins Wohnzimmer, öffnete die Mappe mit den Skizzen und holte einen Bleistift aus ihrer Dose. Sie starrte auf das weiße, wandgroße Regal, das neben unzähligen Büchern auch mit kleinen Skulpturen, Reiseandenken und Fotos vollgestopft war. Ihr Blick blieb an einem Bild hängen. Dino! Mit der objektivsten Urteilskraft, zu der sie fähig war, musste sie feststellen, dass ihr Sohn ein außergewöhnlich hübsches Kind war. Also, wieso nicht? Sie begann zu zeichnen. Und die Inspiration kam, wie immer, mit der Arbeit.
Nach rund einer Stunde intensiver Arbeit schreckte der Vibrationsalarm ihres Handys Theresa auf. Ein Foto erschien auf dem Display und sie bekam ein schlechtes Gewissen. Bevor sie sich entschuldigen konnte, dass sie trotz der drei Nachrichten gestern nicht zurückgerufen hatte, erzählte ihre Mutter aufgeregt, dass der arme Ambrosius überraschend an einem Herzinfarkt gestorben war.
»Das tut mir leid. Der Dreiseitl hatte auf mich zwar einen entrückten, aber keinen kränklichen Eindruck gemacht!«
»Stimmt, soweit ich mich erinnern kann, hat er nie über irgendwelche Schmerzen geklagt.«
So viele starben in letzter Zeit, dachte Theresa. Erst Wenz und jetzt der Schulwart … Plötzlich fiel ihr das mysteriöse Foto ein!
»Mama, ich wollte dich fragen, wieso Ambrosius Papas ›Krönung‹ in der Hand gehalten hat.«
»Ach, du hast diese alte Aufnahme gefunden«, antwortete ihre Mutter.
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