Die Kunstjaegerin
stand.
»Die Stimme meines Gebieters.« Leon nahm einen schnellen Schluck, dann hob er seinen Sohn auf die Schultern und verließ den Raum.
Aus dem Vorzimmer hörten die Freundinnen noch Dinos Stimme: »Musst du immer weinen? Das riecht eklig aus dem Mund!«
Flora lächelte. »Gut, dass wir nicht mehr rauchen, was müssten wir uns da anhören! Die Kleinen halten uns eben gesund und rüstig.
Was gibt es heute eigentlich zu essen?«
»Paul kocht eine Kartoffel-Birnen-Ingwer-Suppe, Boris macht eines seiner obligaten Nudelgerichte und ich habe als Nachspeise Mousse au Chocolat vorbereitet«, antwortete Theresa, während sie eine Schublade nach der anderen öffnete.
»Wann das denn?«, hakte Flora neugierig nach.
»Heute Vormittag, als ich eigentlich die Illustrationen machen sollte. Ablenkungsmanöver wie in alten Studentenzeiten … Wo ist das verflixte Schälmesser?«
Die Türklingel kündigte Boris und Paul an. Während Flora öffnete, jauchzte Theresa, als sie endlich das gesuchte Werkzeug fand. »Irgendwo taucht doch alles wieder auf!« Dann eilte sie Flora hinterher.
»Na, wo ist das ominöse Gemälde?«, fragte Paul statt einer Begrüßung und hängte seinen eleganten Kaschmirmantel auf den letzten freien Garderobenhaken.
Boris warf seine Daunenjacke achtlos über einen Stuhl. Er war durch und durch das Gegenteil von Paul. Boris war kleiner, etwas rundlicher und hatte bereits graue Strähnen, die seine schwarzen Haare sowie den Dreitagebart durchzogen.
»Kommt mit ins Wohnzimmer!« Theresa schob die beiden durch die Tür und deutete auf das Bild. »Tata! Meine ›Krönung‹.
Wir dachten, Paul könnte den Zettel im Labor untersuchen. Und herausfinden, aus welcher Zeit Papier und Tinte stammen. Das wäre ein erster Anhaltspunkt.«
»Bien sûr, mache ich mit Vergnügen. Doch je weniger invasiv wir das Bild behandeln, umso besser«, sagte Paul, trat näher und kniff die Augen zusammen. »Mir scheint es bereits etwas mitgenommen zu sein. Es wäre sinnvoller, den Zettel auf der Rückseite zu lassen. Wir haben im Labor ein transportables Mikro-RFA …«
»Das klingt ziemlich gefährlich«, warf Flora amüsiert ein.
Paul sah sie von der Seite an. »Mikro-Röntgenfluoreszenzanalyse, ma chère, damit kann ich vor Ort eine Untersuchung vornehmen und muss die Vignette nicht ablösen. Kommt mit in die Küche, ich erkläre es euch beim Kochen genauer.«
Mit Küchentüchern beschürzt, schälten die Jungs Kartoffeln, während es sich Flora und Theresa Wein trinkend am Tisch bequem machten. Paul erläuterte, dass mit dem Mikro-RFA Materialien auf ihre anorganischen Bestandteile durchleuchtet wurden. So könnten chemische Fingerabdrücke erstellt werden, ohne das Objekt zu beschädigen.
»Schön und gut«, unterbrach Flora. »Aber von wem und woher sollen wir Vergleichsabdrücke bekommen?«
»Du hast schon wieder zu viel CSI geschaut! Mit chemischem Fingerabdruck meine ich die Zusammensetzung, zum Beispiel der Tinte. Ist es eine Eisengallustinte, stammt das Dokument wahrscheinlich aus sehr frühen Zeiten. Je älter der Zettel, umso glaubhafter die Aufschrift. Aber genug, ich muss mich jetzt aufs Kochen konzentrieren.«
Paul pürierte, verfeinerte, kostete und zog die Nase kraus. Erst als er nachwürzte, entspannte sich sein Gesicht. »Voilà, très bien.
Von mir aus können wir.«
Leon war inzwischen aus Dinos Zimmer geschlichen und gesellte sich zu ihnen. »Was duftet hier so herrlich?«
»Birnensuppe mit Ingwer. Welchen Wein würdest du dazu kredenzen?«
»So was ähnlich Kreatives habe ich erwartet«, antwortete Leon und holte eine Flasche Weißwein aus dem Kühlschrank. »Der sollte passen, leicht und nicht zu intensiv. Doch ich frage euch: Wo sind die Zeiten der guten, alten Nudelsuppe hin?«
»Kopf hoch, mein Freund. Danach gibt’s was Bodenständiges.
Original Pasta di Boris. Frische Tagliatelle mit Tomaten-Zucchini-Sauce. Dazu passt dein Bordeaux – von dem leider nicht mehr viel da ist.« Vergnügt legte Boris den Arm um Leons Schulter und ging mit ihm und Theresa ins Wohnzimmer, wo Flora den Esstisch in der Zwischenzeit gedeckt und üppig dekoriert hatte.
»Werden wir heute etwa fotografiert und im Anschluss zu einem Gemälde verarbeitet, Flora, mon cœur?«
»Nein, Paulchen, ich finde es einfach très chic, wenn es festlich aussieht, das solltest du doch von zu Hause gewohnt sein«, antwortete Flora.
»Bitte, mein Name ist Paul. Paulchen verwendete nur meine Großtante
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