Die Kunstjaegerin
Rücksprache mit Leon halten, für das Geld konnten sie die neuen Fenster kaufen, die schon längst fällig waren, oder sogar das Badezimmer renovieren. Ihr Mann hatte vor 15 Jahren das kleine Winzerhäuschen seiner Großeltern geerbt.
Seither mussten sie ständig umbauen, herrichten oder ausbessern.
Theresa hatte sich mit der Situation, dass sie mit den Arbeiten wohl nie fertig werden würden, abgefunden. Außerdem wäre ein anderes Haus mitten in Wien, noch dazu im 19. Bezirk, unerschwinglich gewesen.
Dino wartete bereits hinter der verschlossenen Glastür des Kindergartens und winkte ungeduldig, als Theresa um die Ecke bog. Jedes Mal, wenn sie ihren Sohn ansah, hatte sie das Gefühl, in einen Spiegel zu blicken. Er besaß ihre dunkelbraunen, dichten Haare, ihre blauen Augen und ihre schwarzen, scharf geschwungenen Augenbrauen, die ständig in Bewegung waren – beim Sprechen, Lachen oder Denken. Heute war er ganz aufgeregt, weil er zu einer Geburtstagsfeier durfte. Auf dem Weg dorthin erzählte er ihr, dass er den anderen Kindern das Kunststück mit der verschluckten Luft zeigen wolle. Theresa musste zunächst schmunzeln, hielt ihm dann aber doch einen Vortrag über gutes Benehmen und erklärte, dass der Gastgeberin ein Rülpskonzert bestimmt nicht gefiele. Sie nahm sich vor, unbedingt mit Flora, Paul und vor allem mit Boris ein ernstes Wörtchen zu reden. Die drei brachten Dino definitiv zu viel Unsinn bei.
Nachdem Theresa ihren aufgekratzten Sohn bei den Eltern des Geburtstagskindes abgeliefert hatte, machte sie sich auf den Heimweg. Es blieben ihr noch drei Stunden, um endlich mit ihrem neuen Projekt zu beginnen. Seit dem Abschluss an der Graphischen Lehranstalt arbeitete sie als Illustratorin für ein monatlich erscheinendes Lifestyle-Magazin. Allerdings kaufte der Redakteur in letzter Zeit immer mehr Material bei Agenturen ein, und Theresa musste um ihren Job fürchten. Daher war ihr der Auftrag, Bilder für ein Kinderbuch zu zeichnen, gerade recht gekommen. Eine alte Schulfreundin hatte für den Text von ›David und die Regenbogenmaschine‹ bereits den Vertrag in der Tasche, und in zwei Wochen sollten sie dem Verlag das fertig illustrierte Buch vorlegen. 14 Tage schienen viel Zeit zu sein, aber Theresa neigte dazu, alles so lange wie möglich hinauszuzögern. Leon meinte einmal lachend, hätte es die Natur nicht anders geregelt, Dino wäre heute noch nicht geboren.
Ihr Auto fuhr wieder wie von allein und ihre Gedanken flogen zurück zum Restaurator. Dieser wunderbare Geruch in seinem Geschäft! Er erinnerte sie an ihre Kindheit, als sie mit ihrem Vater auf der Suche nach Antiquitäten stickige Dachböden und nach Weihrauch duftende Sakristeien durchkämmt hatte. Stammte der Zettel doch von ihm? Schickte er sie mit diesem Bild auf eine Art Schatzsuche? Sollte sie nicht lieber weiterforschen, wer dieser Sustermans war und was er mit Rubens zu tun gehabt hatte, anstatt zu zeichnen? Wenz war von dem Kunstwerk begeistert gewesen.
Einzigartig sei es, hatte er gemeint. Etwas musste dran sein, vielleicht ein bisschen Rubens?
Nein, keine weitere Ablenkung mehr, rief sich Theresa zur Vernunft. Gleich nach dem Fund der vergilbten Notiz hatte sie einige Kunstgeschichteexperten kontaktiert. Von ihnen hoffte sie, in Kürze genauere Informationen über den Maler und die Darstellung zu bekommen. Und bei der Rehaklinik, die mittlerweile im Schloss der Igowskis untergebracht war, hatte sie angefragt, ob noch Aufzeichnungen über die Gemäldesammlung der Fürstin existierten. Erst wenn sie darauf Antworten bekäme, würde sie weiterrecherchieren. Jetzt musste sie sich endlich auf ihre Arbeit konzentrieren. Sie brauchte dringend eine Idee, wie eine ›Regenbogenmaschine‹ aussehen könnte.
Als Theresa an einer roten Ampel stehen blieb, raschelte es unter ein paar unbezahlten Strafzetteln in der Mittelkonsole. Ach, hier war ihr Handy, sie vermisste es schon seit ein paar Tagen! Sie nahm ab und hörte der aufgeregten Stimme am anderen Ende der Leitung aufmerksam zu. Dino war beim Spielen die Treppe hinuntergefallen und wurde in diesem Moment mit Verdacht auf Beinbruch ins Allgemeine Krankenhaus gebracht!
Sofort wendete Theresa ihren Wagen. Sie hatte ihren Sohn doch erst vor etwa dreißig Minuten zu dieser Feier gefahren! Wie schaffte er es bloß immer, sich innerhalb kürzester Zeit in Schwierigkeiten zu bringen? Von ihr hatte er das sicherlich nicht!
Unfassbar! Seit Jahren suchte er nach diesem Bild, hatte längst
Weitere Kostenlose Bücher