Die Kunstjaegerin
nicht mehr daran geglaubt, es jemals in die Hände zu bekommen, und nun war es ihm auf einem silbernen Tablett präsentiert worden.
Diese Frau hatte keine Ahnung, welchen Schatz sie besaß.
Jetzt nur nichts überstürzen! Er war so lange auf der Suche gewesen, da würde er die paar Tage Verzögerung auch noch ertragen. Bald wäre er am Ziel. Zufrieden rieb er sein stacheliges Kinn und öffnete eine Flasche Brunello. Das musste gefeiert werden!
Als Theresa nach drei Stunden Warterei im Krankenhaus zu Hause ankam, fiel sie geschafft aufs Sofa. Ihr Sohn hüpfte langsam hinter ihr her und legte sich neben sie. »Ich hätte gewonnen, Mama, aber Moritz hat mir ein Bein gestellt«, sagte er leise.
»Ich weiß, mein Schatz, du bist der Schnellste.« Sie streichelte seine weichen Haare. Moritz, dieses kleine Monster! Mit dem musste sie in nächster Zeit ein ernstes Wörtchen reden.
Dino rollte sich wie ein kleiner Igel auf ihrem Schoß zusammen und war nach zwei Minuten eingeschlafen. Auch Theresa schloss die Augen und versuchte durch Tiefenatmung zur Ruhe zu kommen. Ein, aus. Ein, aus. Ihre Lider wurden schwer. Auf einmal fand sie sich mitten im Geschäft von Rembert Wenz wieder und erblickte ihre Regenbogenmaschine . Sie schwebte ganz klar über der Pan-Figur aus Elfenbein.
Theresa war plötzlich hellwach und schob den schlafenden Dino sachte zur Seite. Wahrscheinlich brauchte man Aufregung, Ärger und Antiquitäten, um einen Geistesblitz zu haben. Sie suchte ihre Stifte und skizzierte schnell, was sie gesehen hatte: ein altmodisches Destilliergerät, verbunden mit den Rotationsblättern der Luftschraube, die Leonardo da Vinci vor 500 Jahren erfunden hatte. Gut kopiert war immer noch besser als schlecht erfunden, dachte sie zufrieden. Es schien trotz aller Aufregung ein guter Tag zu werden.
Bevor sie weiterzeichnen konnte, klingelte es. Theresa sah sich suchend um. Das Läuten führte sie zu ihrer Tasche, aus der sie das Handy zwischen Kosmetika und Kinderspielzeug hervorkramte.
Sofort sprudelte Floras helle Stimme los: »Stell dir vor, nächste Woche wird im Wiener Auktionshaus ein Sustermans versteigert.
Das Gemälde hat einen Schätzwert von 120.000 Euro!«
»Wow.«
»Genau!« Flora schwatzte begeistert weiter. »Da sollten wir dabei sein. Du hast ein kleines Vermögen geerbt. Wenn das die Jungs erfahren!«
Theresa schmunzelte. Mit den ›Jungs‹ meinte ihre Freundin Leon, Paul und Boris, die alle Ende 30 waren. Gemeinsam mit Flora hatte sie Boris vor Jahren im dunkelsten Winkel einer verstaubten Trattoria aufgegabelt und ihm, weil er traurig wirkte, eine dieser Korbflaschen mit Chianti spendiert. So wurde in dieser durchzechten Nacht der Grundstein für den Chianti-Club gelegt.
Als Leon vor acht Jahren um Theresas Hand anhielt, bekam er Flora und Boris quasi als Mitgift dazu. Er wiederum hatte Paul in die Ehe eingebracht. Mittlerweile waren die fünf enge Freunde geworden … mehr oder weniger, wie Theresa oft dachte, wenn sie Flora und Paul beobachtete.
»He, bist du noch dran?«, rief Flora.
»Ja, wann ist die Versteigerung denn?«, fragte Theresa.
»Nächsten Dienstag um 14 Uhr. Ich gehe auf jeden Fall hin. Das ist mit einer Auktion auf E-Bay nicht zu vergleichen, denn ›Live is Life‹.« Flora summte ein paar Takte des alten Opus-Hits, bevor sie weitersprach. »Vielleicht schwirren da ein paar nette Kunsthändler herum. Apropos, was sagt der Restaurator zur ›Krönung‹?«
Theresa berichtete von ihrem Besuch bei Wenz und der Inspiration, die sie danach im Halbschlaf gehabt hatte.
»Hm, an Inspiration mangelt es mir gerade«, bemerkte Flora, die als Fotografin für eine Gourmetzeitschrift tätig war und nebenbei ihre erste Ausstellung vorbereitete. Dafür stellte sie Stillleben alter holländischer Meister nach und bearbeitete anschließend die Bilder am Computer, damit sie wie gemalt aussahen. Die fertigen Werke ließ sie auf riesengroße Leinwände drucken. »Ich brauche noch drei Exponate und die Vernissage ist in einem Monat. Hätte ich so tolle Krüge wie die auf deiner ›Krönung‹ …« Flora machte eine kurze Pause, bevor sie hektisch in den Hörer rief: »Oh, ich muss aufhören, hab ein Briefing für ein Gulasch-Shooting. Ciao!«
Gedankenversunken legte Theresa das Telefon beiseite. Floras Worte gingen ihr nicht aus dem Kopf. Wenz hatte die Krüge ebenfalls besonders hervorgehoben. Eigentlich konnte sie sich jetzt mit gutem Gewissen ihrer Schatzsuche widmen.
Die
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