Die Kunstjaegerin
sie weiter, Dino folgte ihr, ohne ein Wort zu sagen. Eine Spur der Verwüstung zog sich vom Flur über das Wohnzimmer und die Küche bis ins Schlafzimmer. Jemand hatte wie ein Wildschwein auf Trüffelsuche das Erdgeschoss regelrecht umgepflügt. Die restlichen Einkaufstaschen glitten Theresa aus den Händen. Tränen schossen ihr in die Augen. Sie hob wie in Trance einige Bücher auf, versuchte das offensichtlich Geschehene wieder ungeschehen zu machen. Erst als Dino aufgeregt hin-und herräumte, wachte sie aus ihrer Dämmerzustand auf. Nichts angreifen! Sie musste die Polizei anrufen und diesmal sofort!
Ihr Puls begann zu rasen. Nun war es so weit – ein Anfall! In Theresas Körper pumpte es heftig, bei jedem Herzschlag hoben sich Bauchdecke und Brustkorb, die Halsschlagader schwoll an, als würde sie jeden Moment explodieren. Sie kannte diese Reaktion, wenn auch nicht in diesem Ausmaß. Ein Nerv in ihrem Herzen war fehlgeleitet, nichts Lebensbedrohliches, wenn er jedoch verrücktspielte, wurde sie panisch. Oder bedingte die Panik die Anfälle? Hastig nahm sie einen der Betablocker, die sie immer in ihrer Geldbörse griffbereit aufbewahrte, und würgte ihn ohne Wasser hinunter.
Als sie sich etwas beruhigt hatte, benachrichtigte sie die Polizei.
Dann setzte sie sich in die Mitte des Wohnzimmers, drückte Dino fest an sich und wartete.
Es war endgültig Zeit auszusteigen. Aber wie? Diese Geschichte brachte sie und ihre Familie in Gefahr, das war es nicht wert.
Wieso nur war jemand hinter ihr her? Und wer waren die ? Wie weit waren sie schon in ihr Leben eingedrungen? Wie weit würden sie noch gehen? Dabei hatte sie bloß ein Gemälde von der Wand genommen, verdammt noch mal!
Ihre Angst begann in Ärger umzuschlagen. Der ganze Groll, der sich seit dem Streit mit Leon angesammelt hatte, entwickelte sich zu reinster, energiegeladener Wut. Niemand würde sie und ihre Familie angreifen, niemand! Weder die Illuminaten noch die ›Fratelli delle Stelle‹ oder sonst wer! Und hatten sie nicht, was sie wollten? Wenz war tot, die ›Krönung‹ gestohlen, was suchten sie bei ihr?
Theresa streichelte Dino, der eingerollt auf ihrem Schoß lag und ein Bilderbuch mit schwarzen, zotteligen Mons-tern durchblätterte.
Als es an der Tür klingelte, atmete sie erleichtert auf. Flora.
Endlich!
Vor der Haustür standen neben Flora, die ihr stumm zunickte, Robert Kiesling und Geza Zipser. Zwei weitere Männer dahinter wiesen sich als Beamte des Einbruchdezernats aus.
»Wir haben gehört, dass Sie ungebetenen Besuch hat-ten. Wir wollten Sie ohnehin wegen des Mordes nochmals befragen.«
Theresa brachte keine Begrüßung über die Lippen. Sie dachte nur, dass Kiesling auch kein erwünschter Besuch war, und winkte die Polizisten hinein. Der Chefinspektor pfiff durch die Zähne, als er die Verwüstung sah.
»Es tut mir ja so leid, komm her«, sagte Flora. Sie nahm Theresa in den Arm, die sich zusammenreißen musste, um nicht wieder loszuheulen. »Was haben wir da nur losgetreten?«
Während sich die anderen Beamten im Wohnzimmer umsahen, begleitete Kiesling die Frauen und Dino in die Küche. Flora setzte Teewasser auf. Langsam bekam sich Theresa wieder unter Kontrolle. Sie informierte den Chefinspektor darüber, wie lange sie unterwegs gewesen war, und dass sie das Chaos in dem jetzigen Zustand vorgefunden hatte.
Plötzlich funkelte Theresa den Chefinspektor böse an: »Was, wenn die Eindringlinge noch da gewesen wären? Würden Sie jetzt weiße Kreidekreise um unsere Körper ziehen und denken: Blöd, eine Verdächtige weniger? Sie sollten endlich die richtigen Verbrecher suchen und nicht …« Sie sprang abrupt auf. »Ich muss raus hier. Ich bringe Dino weg. Und Sie!«, fuhr Theresa den Chefinspektor noch mal an. »Sie glauben doch sowieso wieder, ich hätte das alles inszeniert, um das Diebesgut verschwinden zu lassen, oder? Ich bin ja immer schuld!« Ihre Stimme überschlug sich.
»Bitte beruhigen Sie sich, Frau Valier«, brummte Kiesling unangenehm berührt. »Wir sind dem Mörder auf der Spur. Heute bekommen wir endlich die DNA-Analyse. Wenn er in der Datenbank gespeichert ist, haben wir ihn. Allerdings wundert mich wirklich, was er hier wollte.«
»Vielleicht war es nicht derselbe Täter, sondern eine der Einbrecherbanden, derer ihr nicht Herr werdet«, antwortete Flora spitz.
Theresa schniefte und holte ihr neues Handy aus der Tasche.
Seit der Wanzengeschichte trug sie es stets bei sich. Leon war natürlich
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