Die Kunstjaegerin
ihr durch.
Alle unfreundlichen Gefühle, die der Chefinspektor in ihr wachgerufen hatte, waren mit einem Schlag wieder da. »Ja, bei Wenz! Wenn Sie mir zugehört und mich nicht wie ein unfolgsames Schulmädchen abgekanzelt hätten, wüssten Sie, dass der Einbruch im Atelier nur deswegen stattgefunden haben muss. Vielleicht glauben Sie es jetzt und verdächtigen mich nicht mehr«, knurrte Theresa.
»Tut mir leid, aber ich muss zuerst das Naheliegendste annehmen, und das stimmt in 95 Prozent aller Fälle«, sagte Kiesling.
»Sehe ich wie eine Einbrecherin und Mörderin aus? Machen wir hier weiter, ich muss aufräumen und in den Kindergarten.«
»Vorher möchte ich alles über die Dokumentation wissen.
Würden Sie sich bitte noch die Zeit nehmen?«
Theresa und Flora erzählten abwechselnd von den Ereignissen der vergangenen Tage, über ihre Recherchen, Theresas Auftrag an Wenz und die Vermutung, was auf dem Bild dargestellt sein könnte.
Kiesling machte Notizen, stöhnte über der Flut der Informationen und schrieb alles mit, nicht ohne seine Hand hin und wieder auszuschütteln. Theresa überlegte, wohin sein wunderbares Diktiergerät verschwunden war.
»Hätten Sie mir das nicht vorher erzählen können?«
»Und welchen Teil im Speziellen?« Theresa sah ihn eindringlich an. »Es sind doch einige wirre Theorien dabei, Sie hätten mich wahrscheinlich einliefern lassen. Und bei unserem letzten Treffen im Atelier wollte ich ja darüber sprechen, aber wie gesagt, Sie haben mich wie eine durchgeknallte Mörderin behandelt.«
»Es war eben verdächtig, Sie an einem Tatort vorzufinden. Und das zum zweiten Mal«, verteidigte sich Kiesling.
Theresa nickte. Ein Nicken, das genau das Gegenteil einer Zustimmung bedeutete. »Was gedenken Sie nun zu tun?«
»Zuerst schauen wir, ob die Spurensicherung hier etwas entdeckt. Meistens machen Täter Fehler. So wie ich das sehe, ist der Mörder hinter dem Bild und dieser Dokumentation her.
Vielleicht hat er im Atelier nicht das gefunden, was er gesucht hat.« Kiesling stand auf und rief nach draußen: »Geh Geza, ruf den Huber an. Der hat die Kamera des Opfers bestimmt noch nicht untersucht. Ich möchte die letzten Fotos sehen, die drauf sind. Er soll mir alle simsen.«
Der Chefinspektor wandte sich wieder an Theresa. »Da er in der Werkstatt erfolglos war, dachte der Täter wahrscheinlich, die Unterlagen seien bei Ihnen. Auf dem Speicherchip der Kamera werden wir bald sehen, worauf Wenz gestoßen ist. Wir haben bis jetzt erst seinen PC samt E-Mail-Verkehr überprüft.« Kiesling ging zum kaputten Fenster und sah hinaus. »Das hier ist mir aber unerklärlich.«
»Wie Sie es darstellen, hat das Ganze Hand und Fuß. Der Täter hat mich abgehört, weil er wissen wollte, wo die ›Krönung‹ ist. So erfuhr er von Wenz und stahl ihm das Bild. Vermutlich hat er am Gemälde nicht das Erhoffte entdeckt.
Dann hörte er von der Dokumentation im Geheimfach. Allerdings fand er im Atelier nichts, weil Wenz alles digital gespeichert hatte.
Und zwar auf dem Kamerachip oder dem Computer – beides befindet sich jetzt im Präsidium.«
»Ist das verwirrend … Wieso bricht er bei dir ein?« fragte Flora.
»Anscheinend hat er mich nicht nur abgehört, sondern auch beschattet! Ja, ja, ich und Verfolgungswahn!« Theresa schnaubte, als sie an Leon dachte. »Er muss beobachtet haben, dass ich nach dem Einbruch im Atelier war. Er hat bestimmt gedacht, ich hätte etwas gefunden, was er übersehen hatte.«
»Als Nächstes stiehlt er sicher die Digitalkamera und den Computer aus der Asservatenkammer«, sagte Flora und wandte sich an Kiesling. »Da würde es mich nicht wundern, wenn morgen ein Panzer anrollt und durch die Mauer eures …«
»Einzig der Steinwurf passt nicht hinein«, unterbrach Theresa die Ausführungen ihrer Freundin, die sie stark an einen James-Bond-Film erinnerten, den sie vor Kurzem gesehen hatte.
»Außer der Täter ist ein Choleriker und hat sich geärgert, dass er wieder nicht erfolgreich war.« Doch eigentlich glaubte Theresa selbst nicht an ihren Erklärungsversuch.
»Es waren wahrscheinlich Kinder«, versuchte Kiesling zu beruhigen. »Mörder und Einbrecher sind schnell über alle Berge, wenn die Polizei anrückt.«
Das Piepsen von Kieslings Handy signalisierte ihnen, dass Huber seinen Auftrag ausgeführt hatte. Der Chefinspektor betrachtete die Bilder auf seinem Display und seufzte. »Zu klein, um etwas zu erkennen, das muss ich mir im Büro genauer
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