Die Kunstjaegerin
geheimen Verstecke und suchte nach den neuesten Schriften. Oder sind das schon die Wahnvorstellungen, die alte Menschen des Öfteren befallen?
Gehabt Euch wohl und denkt daran, dass ich an unserer Sache arbeite.
Euer G.
Theresa starrte in die Luft. Langsam, ganz langsam begann ihr Puls ruhiger zu werden. Sie mahnte sich zur Gelassenheit.
»Es gibt für alles eine unspektakuläre Lösung«, hörte sie Leon sagen und wollte ihm so gern glauben. Sie zählte ihren Herzschlag, lehnte sich zurück und nahm noch einen Schluck Tee. Om mani padme hum, alles wird gut.
Plötzlich zerriss ein Knall die Stille. Sie hörte Glas split-tern, ein Sirren neben ihrem Ohr und Scherben, die am Fliesenboden zerschellten. Theresa erstarrte eine Sekunde, dann raste ihr Herz schneller als zuvor. In Zeitlupe sah sie einen großen Stein unter den Küchenkasten kullern.
Flora riss die Tür auf und stürmte in die Küche. »Was ist los? Ist dir etwas passiert?«
»Nein, alles in Ordnung«, stammelte Theresa geschockt. Der Tee in ihrer Hand schwappte über, sie hatte das Zucken ihres Armes nicht unter Kontrolle. »Alles in bester Ordnung.«
Gleich würde sie einen hysterischen Anfall bekommen, einen richtigen hysterischen Anfall! Einatmen, ausatmen. »Ich muss mich hinlegen, es geht mir gleich besser. Raus aus der Küche!«
Theresa fegte die Scherben unter den Kasten und legte sich auf den Boden. Shavasana, die Totenstellung, brachte die absolute Entspannung. Wie lange hatte sie schon kein Yoga mehr gemacht … Sie starrte an die Decke. Der nächste Stein würde direkt auf ihrem Kopf landen.
Wer war das gewesen? Hatte sie einen Nachbarn vergrault? Sie war immer freundlich zu allen, bis auf … Nein, die war über 80 …
Also doch die Illuminaten oder eine andere Geheimgesellschaft?
Nur würden die vor der Tür stehen und Steine werfen, während das Haus voller Polizisten war?
Theresa hörte das Knarren der Eingangstür, Schritte, die auf dem Kiesweg knirschten, und ein paar Minuten später Zipsers Stimme durch die zerbrochene Fensterscheibe. »Nichts, kein Mensch zu sehen. Muss ein Kind gewesen sein, das sich einen Scherz erlaubt hat. Kommt wieder rein Jungs, die Spurensicherung drinnen ist wichtiger.«
Der Einbruch war allerdings kein Scherz. Sie hatte noch gar nicht nachgesehen, was gestohlen worden war. Ihr Schmuck, die Münzsammlung, die Sparbücher, die Kelche von Papa … Nicht noch ein Erinnerungsstück!
Theresa beschloss nachzusehen, aber sie konnte nicht aufstehen.
Die Beine versagten, waren im Shavasana und wollten es offensichtlich auch bleiben. Wenigstens fünf Minuten.
Auf einmal schwebte Kieslings Kopf über ihr. »Geht es wieder, Frau Valier? Soll ich Ihnen aufhelfen? Nur wenn Sie wollen, natürlich.«
Na, kann er doch freundlich sein, der Herr!
»Nein danke, ich schaffe das alleine.«
So elegant wie möglich erhob sich Theresa, zwang ihren Körper zu gehorchen, strich ihren Pullover, an dem einige kleine Glassplitter hingen, glatt und setzte sich kerzengerade an den Küchentisch. »Gut, wir können reden. Ich bin entspannt.«
Die zusammengekniffenen Lippen, die zitternden Hände widersprachen dem ganz offensichtlich, aber Kiesling würde sowieso keine ehrliche Antwort von ihr erwarten.
»Wir haben die meisten Spuren gesichert. Laut Flora fehlt nichts.
Es wurde nur ein unbeschreibliches Chaos angerichtet, als hätte der Täter etwas Bestimmtes gesucht.«
»Die Kronjuwelen wahrscheinlich.«
Es fing schon wieder an, sie hatte sich nicht im Griff! Beherrsch dich, Theresa!, rief sie sich zur Räson. Sie atmete tief durch und sagte langsam: »Entschuldigung, beginnen wir von vorne. Sie sagten, dass nichts gestohlen wurde. Schön.«
»Genau. Aber die Laden wurden durchwühlt, die Ordner herausgerissen und durchgeblättert. Was könnten die gesucht haben?« Kiesling sah sie mitfühlend an und zum ersten Mal spürte sie so etwas wie Sympathie für ihn.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Theresa.
»Vielleicht die Dokumentation«, warf Flora ein, die in die Küche gekommen war. »Übrigens, als ich Dino vorhin zu Karoline gebracht habe, meinte sie, dass sie ihn am späten Nachmittag zum Laternenumzug in den Kindergarten mitnimmt.«
Der Heilige Martin! Dino freute sich seit Tagen darauf und Theresa hätte es fast verschwitzt. Danke, liebe Nachbarin, jetzt konnte sie bis zum Laternenfest in Ruhe das Durcheinander beseitigen.
»Von einer Dokumentation habe ich doch schon einmal gehört«, drang Kieslings Stimme zu
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