Die Kunstjaegerin
der Suche nicht gerade zimperlich vorgegangen, dachte Theresa. Sie sah wieder das unscharfe Zeitungsfoto der Ilse Dreiseitl vor sich.
»Ich begann, den Kunstmarkt in Österreich zu beobachten, lernte Deutsch, um einen Händler nach dem anderen zu befragen.
Ende der 90er-Jahre gab ich auf. Es war zu frustrierend, immer wieder in eine Sackgasse zu laufen. Und plötzlich …« Er lachte, drehte sich zu Theresa und stellte sich so nah vor sie, sodass sie die hellbraunen Sprenkel in seinen fast schwarzen Augen erkennen konnte. »Plötzlich wird mir mit deiner Mail das Bild auf dem Silbertablett serviert. Ich bin noch am selben Tag nach Wien gefahren.«
Dino schnaufte laut, begann sich zu strecken, schlief aber weiter.
Theresa schloss die Augen und versuchte, endlich an einem Fluchtplan zu arbeiten, doch Casagrande stellte sich hinter sie, nahm die Lehne und kippte den Sessel – eine bedrohliche Geste, die ihr den Atem verschlug.
»Aus den Briefen geht hervor«, zischte er in ihr Ohr, »dass der Empfänger aus der Darstellung ersichtlich wird. Hast du etwas entfernt oder übermalt?«
»Nein, ganz sicher nicht.« Theresa schüttelte den Kopf und versuchte, sich zu ihm umzudrehen. Würde er ihr glauben, dass sie nicht wusste, wer der Empfänger war?
Casagrande wurde ungehalten, ließ den Sessel los, der mit einem lauten Knall vorne aufsetzte, und ging zu Dino. »Jetzt stehe ich kurz vor der Lösung und du willst nicht reden! Ich habe keine Zeit mehr!« Er griff in seinen Hosenbund und holte den Revolver hervor. »Wenn du mir nicht sofort die Wahrheit sagst, erschieße ich ihn!«
Theresa schrie auf, als er die Pistole an Dinos Kopf hielt.
»Nein bitte, ich weiß es nicht! Ich weiß nicht, welche Information Sie von mir wollen. Tun Sie ihm nichts! Vielleicht wurde das, was Sie suchen, von den Restauratoren in den letzten Jahrhunderten wegretuschiert oder übermalt.«
Tränen rannen unkontrolliert über ihr Gesicht, sie zermarterte sich das Hirn, was sie ihm noch sagen könnte. Ihr fiel ein, dass Paul erzählt hatte, bei der ›Mona Lisa‹ seien Augenbrauen und Wimpern verschwunden. Vielleicht waren auch bei Sustermans die Pigmente am Verbleichen der Information schuld. Würden schlechte Farben Dino und sie das Leben kosten?
»Haben Sie es mit einer Spektralkamera versucht, da werden Untermalungen sichtbar«, keuchte sie.
»Dazu hätte ich das Bild nach Paris bringen müssen, das war mir zu gefährlich. Und dann bist du mir ohnehin mit deiner Florenzreise entgegengekommen.«
»Woher wussten Sie davon?« Wieder ging ihr der Gedanke durch den Kopf, dass es notwendig war, Casagrande in ein Gespräch zu verwickeln. Sie musste ihn dazu bringen, die Pistole wegzustecken.
»Stupida!« Abschätzend betrachtete er sie, nahm die Pistole von Dinos Kopf und zielte auf Theresa. »Das hast du alles bei deinen Telefonaten erzählt.« Er schnaubte. »Du kannst dir ja denken, dass ich es war, der dich verwanzt hat. Auch da hast du es mir leicht gemacht – immerhin lag dein Handy tagelang unbeachtet auf dem Rücksitz deines Autos. Es wäre so einfach gewesen, das Bild beim Restaurator zu stehlen! Dass mir dieser Stronzo Schlager dazwischenkam, hat mich eine ganze Woche gekostet! Bis ich endlich seinen Namen herausgefunden hatte! Gut, dass ich viele Hehler in Wien kenne – es war nicht schwer, einen Sustermans zu finden, der auf den Markt sollte. Dieser Idiot hatte den Namen auf der Rückseite entdeckt und sofort Gott und die Welt angerufen.«
Er hatte schneller als die Polizei ermittelt, dachte Theresa. Sie bemerkte, wie Casagrande immer zorniger wurde. Südländisches Temperament oder schon Wahnsinn? Er sah sie lange an, hustete und richtete die Pistole wieder auf Dino. »Also, Amore, rette dein Bambino.«
»Da waren Namen im UV-Licht zu erkennen …«, stammelte Theresa.
»Natürlich, diese Information habe ich in der Dokumentation des Restaurators gefunden. Aber sollen etwa Kepler, Kopernikus oder Brahe die Empfänger sein? Ich bin doch nicht blöd, die waren längst tot, als das Gemälde fertiggestellt wurde! Und das wird dein Bambino auch bald sein, wenn du nicht mit der Sprache herausrückst.«
»Nein, ich meine nicht Kepler oder Brahe als Individuen, sondern als Gemeinschaft, vielleicht ist das Manuskript in einem …«, sie schluchzte, ihr fielen vor lauter Aufregung die Worte nicht mehr ein, »in einem … Helfen Sie mir, wo beobachtet man die Sterne?« In ihrer Verzweiflung ratterten die Regenbogenmaschine und ein
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