Die Kunstjaegerin
Astrolabium durch ihren Kopf, sie konnte nicht mehr klar denken. Astronomen, Sterne, Planeten …
»Planetarium!«, schrie sie. »Vielleicht hat er das Buch an eine Gruppe von Astronomen in Florenz geschickt. Und es ist noch immer dort … Ich weiß es doch nicht.«
»Unsinn! Diese Namen bringen rein gar nichts. Ich habe alles abgewogen! Und es existierte damals in Florenz kein Observatorium. Nein, nein, da muss es noch jemanden geben.«
Theresa suchte verzweifelt nach einer anderen Lösung. Ihr Blut begann wieder durch ihre Adern zu schießen, mühsam presste sie hervor: »Das Bild ist doubliert, vielleicht steht auf der Rückseite der Originalleinwand der Empfänger?«
»Das wäre im UV-Licht erschienen. Ich habe den Keilrahmen untersucht, die Leinwand vom Holz abgenommen, das Innere überprüft – nichts. Und jetzt reicht es langsam! Sprich oder dein Sohn lebt nicht mehr lange!« Casagrande sah den Jungen an und legte den Kopf schief »Dino – so ein schöner italienischer Name und jetzt muss er sterben.«
Er fuhr mit dem Lauf über Dinos Schläfe, als wolle er ihn streicheln, und spannte die Pistole. Das Geräusch des klickenden Hebels entfachte ein Feuerwerk in Theresas Gehirn. Informationen rasten durch die Nervenbahnen, blitzten, knackten, veränderten die Farbe, Bilder erschienen. Alle Recherchen der letzten Tage leuchteten in Sekundenschnelle in ihrem Kopf auf, einige heller, andere dunkler: Sie sah Flora die ›Krönung‹ von der Wand holen, den Zettel auf der Bildrückseite. Internetseiten liefen vor ihrem inneren Auge ab, sie wusste, nur die richtige Antwort würde Dino jetzt noch retten. Auf einmal sah sie ihn vor sich – mit flammenden Buchstaben erstrahlte ein Name. Und er war nicht auf dem Gemälde gestanden!
»Dimucci!«, schrie sie – so laut und ansatzlos, dass Casagrande erschrak.
»Dimucci?«
»Ja!« Sie verschluckte sich fast an ihren Tränen. »Auf dem Bilderrahmen, den der Einbrecher im Atelier zurückgelassen hatte, habe ich eingeritzte Zeichen bemerkt. Anfangs dachte ich, es sei eine römische Jahreszahl, es ist aber bestimmt der Name des Empfängers.«
Er musste es sein! Bitte lass mich recht haben, bitte lass mich Dino gerettet haben! Theresa sah zu ihrem Sohn und hoffte, dass der Wahnsinnige das Valium nicht überdosiert hatte.
Casagrande nahm die Pistole von Dinos Kopf und überlegte kurz. »Der Rahmen … Daran hätte ich auch denken können!
Allerdings gab es keinen Dimucci. Ich kenne die Namen aller Florentiner aus dieser Zeit.« Er starrte Theresa an. »Sonst nichts?«
»Nein, aber ich konnte die Einkerbungen nicht genau untersuchen, weil die Polizei anwesend war. Vielleicht stand dahinter oder davor noch etwas. Es könnte auch ›Dinucci‹ sein. Ob N oder M war nicht zu erkennen …«
Casagrande hob unwirsch den Arm. »Ruhig. Ich muss denken. Di Nucci, Dinucci, Dino Ucci …« Er stockte. » Bal dinucci! Es kann nur Baldinucci sein!« Ein Strahlen ging über sein Gesicht. »Filippo Baldinucci, der Kurator der Uffizien! Dem alten Jesuiten hat Galileo also die Bibel mit dem Manuskript geschickt! Aber wo …«
Theresa konnte nicht anders und fragte: »Ich dachte, Baldinucci war verheiratet und hatte Kinder?«
Casagrande sah sie verwundert an. »Du kennst dich aus?«
»Wir haben in den letzten Tagen viel recherchiert. Aber nur, um zu erfahren, wer das Bild gemalt hat«, antwortete Theresa zitternd.
»Baldinucci wollte ursprünglich Jesuit werden, entschied sich dann jedoch anders. Drei seiner Kinder wurden Geistliche.«
Casagrande stand wieder auf, legte seine Pistole auf den Tisch und sah aus dem Fenster. »Also gut, wenn der gläubige Baldinucci eine Bibel geschenkt bekommt, was macht er damit?«
»Vielleicht …«
»Ruhe! Dich habe ich nicht gefragt, ich denke nur laut.«
Theresa verstummte und versuchte verzweifelt, an ihrem Fluchtplan zu arbeiten, allerdings versagte ihr Hirn noch immer seinen Dienst.
Casagrande verschränkte die Hände hinter dem Rücken und ging durchs Zimmer. »Sie ist wahrscheinlich in der Bibliothek der Uffizien, bei der religiösen Literatur. Nein, bei den Inkunabeln«, stöhnte er. »Aber das habe ich bereits alles untersucht. Jede Bibel in jeder italienischen Bibliothek habe ich durchgesehen, jede Bibel ersteigert, die es am Markt gab. Baldinucci, wohin hast du Gottes und Galileos Wort gegeben?« Er drehte sich zu Theresa. »Stand sonst nichts auf dem Rahmen?«
»Nein, ich konnte nur ›Dinucci‹ erkennen. Ich
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