Die Kunstjaegerin
schwöre.«
»Ohne Bibel brauche ich keinen Schwur.« Er ging weiter im Zimmer auf und ab. Schließlich setzte er sich auf seinen Sessel und blickte stumm ins Leere.
Dino streckte einen Arm von sich und rekelte sich schlaftrunken.
Endlich!
»Ich hab’s!« Casagrande sprang vom Sessel. »Der Nachlass von Filippo Baldinucci wurde auf die Söhne verteilt. Bestimmt erhielt einer der Priester die Bibel. Genau dort muss ich suchen!«
Theresa sah ihn zum ersten Mal lächeln. Sie atmete erleichtert auf.
»Darf ich was sagen? Wenn Baldinucci so gläubig war, hat er die Bibel doch sicherlich gelesen, oder?«
Casagrande erstarrte.
›Halte den Mund, du blöde Kuh!‹, dachte sie sich im selben Moment, aber es war zu spät. Verflucht, wieso konnte sie nie still sein? Wie Flora!
»Dann hat er das Manuskript gefunden. Was macht ein gläubiger Christ damit?«, überlegte Casagrande.
»Der Inquisition übergeben?«, wagte Theresa zu flüstern und versuchte ihre klammen, abgeschnürten Finger zu bewegen. Wenn nicht bald etwas passierte, würden sie absterben, dachte sie.
»Der Inquisition?«, donnerte Casagrande. »Um Galileo und sich selbst den Henkern auszuliefern? Niemals! Eher hätte er alles zerstört.«
Theresa beobachtete, wie er unter der Last dieser Vorstellung förmlich implodierte und sein Körper erbebte.
»Nein, das kann nicht sein. Baldinucci hat es sicher nicht vernichtet.« Theresa überlegte angestrengt, wie sie argumentieren sollte, bevor sie fortfuhr: »Jeder Mensch würde eine Handschrift von Galileo hüten wie einen Schatz.«
Sie versuchte wieder ihre Fesseln zu lockern und stöhnte laut auf, weil sie sich wund gescheuert hatte. In diesem Augenblick öffnete Dino seine Augen und starrte Theresa verwirrt an. Sie signalisierte ihm, so gut sie es ohne Hände konnte, still zu sein. Ein nervendes Kind hätte Casagrande noch mehr in Rage gebracht.
Glücklicherweise nickte ihr Sohn und drehte sich zur Wand.
»Ja, heute würden wir es hüten! Aber vor 350 Jahren? Als der Scheiterhaufen drohte? Wie konnte Galileo das Manuskript nur an Baldinucci schicken, dieser Idiot. Idiota!« Er schlug sich auf die Stirn und seine dunklen Augen funkelten Theresa zornig an.
Wenn er jetzt durchdreht, sind wir tot, schoss es ihr durch den Kopf. Was hatte er noch zu verlieren? Zwei Morde hatte er schon begangen.
Ohne uns würde er vielleicht ungeschoren davonkommen. Sie musste ihn wieder auf eine Fährte bringen, seinen Glauben an das Manuskript stärken.
Theresa begann, um ihr Leben zu reden: »Baldinucci war zwar ein frommer Mann, aber viel mehr war er ein Erneuerer! Er war Kurator der Medici, er hatte Ehrfurcht vor den Künstlern! Er musste auch Ehrfurcht vor Forschern gehabt haben. Galileo war trotz Kirchenbann ein gefeierter, berühmter Mann. Nicht umsonst hing sein Porträt in den Uffizien«, keuchte sie. »Niemals hätte Baldinucci das Werk eines dieser Männer, dieser uomini famosi, zerstört. Er glaubte an die göttliche Inspiration. Keine Erkenntnis der Wissenschaft ist ohne göttliche Inspiration möglich. Er hätte die Bibel nicht zerstört. Niemals! Nein!«
In ihrem Gehirn hämmerte es. Er musste überzeugt werden, musste mit ihr auf die Suche nach diesem Manuskript gehen, damit sie Zeit gewann. Sollte sie Italienisch sprechen? Vielleicht beruhigte ihn das.
Er sah sie durchdringend an. Sie spürte, dass er ihr glaubte, dass er ihr glauben wollte. Seine Gesichtszüge entspannten sich.
Theresa setzte erneut an »Io … io credo …«
Ja, was glaubte sie? Göttliche Inspiration – wo war sie, wenn man sie brauchte! »Io credo che …«, stammelte Theresa und verstummte.
»Si, dimmi! Sag’s mir!«, rief Casagrande so laut, dass Dino zusammenzuckte.
Er rührte sich jedoch nicht und sagte kein Wort. Kluger kleiner Kerl. Theresa zermarterte sich ihr Hirn. Wohin konnte sie Casagrande schicken? Ihr fiel nichts ein. Das bedeutete Dinos und ihren Tod! Sie sah Leon vor einem ausgehobenen großen Grab stehen, aus dem Grab stiegen Planeten, sie begannen um Leons Kopf zu kreisen … Planeten – natürlich, Galileos Grab!
»Credo che troveremo il manoscritto nella Chiesa Santa Croce.«
»In der Kirche? Santa Croce?«, fragte Casagrande überrascht.
Doch ihm schien etwas zu dämmern. Er grinste, sah ihr tief in die Augen und zog sein Lid mit dem Finger nach unten. »Sei furba! Du bist schlau.«
Theresa entspannte sich. Zum Glück war ihr das Grab eingefallen! Galileo war schon ziemlich
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