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Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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weiter nach dem zweiten Stiefel. Schließlich legte er sich auf den Bauch, ließ seinen Blick über den Boden gleiten und entdeckte ihn unter dem Bett. Weil seine Arme aber nicht lang genug und der Bauch zu dick war, als dass er ihn hätte erreichen können, trieb er Giorgio an, seinen Stiefel hervorzuangeln. Als der hagere Diener diesen endlich in der Hand hielt, riss ihm der Architekt das Schuhwerk aus der Hand und schlug ihm damit einmal derb auf den Rücken, weil er so lange gebraucht hatte.
    Zum Abschied nickte Bramante Leonardo zu. Der Freund war wie immer fein herausgeputzt. Nur seine langen Haare, die sonst in elegantem Schwung bis auf die Schulter fielen, hatten sich verwirrt, als hätte er sich zuvor gerauft, was so gar nicht seiner Natur entsprach.
    Bramante eilte ins nächste Zimmer, griff seinen Geldbeutel, wählte mit Bedacht zwei Dolche und ein Rapier als Bewaffnung aus, verließ eilig das Haus und schwang sich auf seinen Rappen, dem er härter als gewollt die Sporen gab. Auf dem Weg von Mailand nach Florenz kam er nur aus dem Sattel, wenn er unterwegs die Pferde wechselte, die er fast zu Tode hetzte. Er war tief beunruhigt über das, was er von Leonardo gehört hatte. Diesmal nahm er sich nicht wie sonst die Zeit, um zu rasten, zu trinken, zu schlemmen und zu huren. Auch waren die Umstände nicht danach, denn kurz hinter Mailand begann der Krieg. Neben all den wohlvertrauten Gräueln wie Mordbrennen, Foltern und Vergewaltigen kam diesmal noch eine Krankheit dazu, die von den Franzosen, wie man ihn eindringlich gewarnt hatte, mit dem Schwanz verbreitet wurde und so vom Mann auf die Frau und von der Frau wieder auf den Mann sprang und an der man elendig und im Wahnsinn zugrunde ging. Die Zeiten waren rau, und der zarte Graf war es nicht. Bramante musste sich also eilen.
    Sobald er die Lombardei verlassen und das Großherzogtum Toskana erreicht hatte, schlug ihm unverkennbar der bestialische Gestank des Krieges entgegen. Dreck und Blut, zerstörte und geplünderte Ortschaften, umherliegende Leichen, ein Trupp Söldner, um den er lieber einen Bogen machte, trieben ihn nur stärker zur Eile an. Ein ihm unvertrautes Gefühl der Trauer überkam ihn, trist wie das Novemberwetter mit seinen Nebelfetzen, seinen kühlen Regenschauern, seinem Grau. Von der Straße aus konnte er die Feldlager der Söldnerhaufen sehen. Die kläglichen Feuer vor den Zelten schwelten mehr, als dass sie loderten, weil das Reisig feucht war.

5

    Florenz, Anno Domini 1494
    Nach dreieinhalb Tagen scharfen Rittes und kaum Schlaf erreichte Bramante endlich den Arno. Kälte und Nässe waren ihm inzwischen bis in die Knochen gedrungen, und er zweifelte nicht im Geringsten daran, dass er sich das Rheuma oder die Gicht in den Leib geholt hatte. Auf dem Fluss trieb der aufgedunsene Kadaver einer Kuh, der zu platzen drohte. Ein Anblick, der ihn melancholisch stimmte.
    Während er noch im Banne des Saturns weilte, erhob sich vor ihm die Stadtmauer. Das Tor wurde zwar bewacht, aber eher nachlässig. Grauschwarz und feucht, wie sie waren, wirkten die hohen Stadtmauern ohnehin schon abweisend genug. Die Besatzung machte nicht den Eindruck, dass sie sich bei einem Angriff zur Wehr zu setzen gedachte.
    Das Leben in der Stadt, auf den Straßen und Plätzen kam Bramante verändert vor. Auf irgendeine Weise ungeordnet, aus dem alltäglichen Rhythmus geraten, als würde keine Macht, keine Obrigkeit mehr gelten. Wie Gottes verlassene Welt, dachte er und erschrak sogleich über den Gedanken. Gebückte Menschen, die in ihren Lumpen wie Aasgeier wirkten, boten Gegenstände zum Tausch an, die ihnen wohl kaum gehörten. Offensichtlich hatten sie die Dinge beim Plündern der Häuser der Gefolgsleute der Medici an sich gebracht. In einer der Gassen versperrte ihm ein zerkratzter Tisch mit drei Beinen den Weg. Bramante stieß ihn mit dem Fuß im Steigbügel zur Seite. Schmutz, Abfall und Scherben bedeckten das Straßenpflaster wie eine zweite, von Blattern entstellte Haut. Außer den einfachen Huren wagten sich keine Frauen hinaus, auch nach vornehmen Männern hielt er vergeblich Ausschau. Es war die Stunde des Gesindels.
    Eine dumpfe Niedergeschlagenheit senkte sich über Bramantes Gemüt. Er achtete nicht auf die Zurufe der Leute, sondern lenkte sein Pferd sogleich zum Dom, in dessen Nähe Giovanni Pico della Mirandola wohnte.
    Vor dem kleinen Haus des Grafen sprang er ab, die Dolche griffbereit, und band sein Pferd an einen der drei eisernen Ringe, die in das

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