Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
spöttisch gelacht.
Bramante waren die Worte nicht mehr aus dem Sinn gegangen. Sein Blick wurde von einem Kupferstich angezogen, einer Darstellung Jerusalems mit einem runden Tempel, der eine Kuppel trug.
»Messèr!«, rief der Arzt. »Den hatte der Tote in der Hand.« Er hielt Bramante einen goldenen Ring hin, auf dem ein kleiner, ebenfalls goldener Aufsatz saß, den ein schwarzer Stein abschloss. Fasziniert hielt der Architekt den Ring ins Licht und entdeckte ein Monogramm. Geschickt, wie er war, fand er einen versteckten Miniaturmechanismus, mit dem er den Aufsatz öffnen konnte.
Das winzige Behältnis enthielt ein Zettelchen. Bramante nahm es heraus und faltete es so vorsichtig, wie es seine großen Hände zuließen, auseinander. Winzige Zeichen wimmelten auf dem Papier, die der Architekt nicht zu erkennen, geschweige denn zu entziffern vermochte. Da er wusste, dass Pico die Kabbala im Original studiert hatte, nahm er an, dass es sich bei den Zeichen um Hebräisch handelte. Aber mit bloßem Auge konnte er die Gebilde auf dem Pergamentfetzen nicht unterscheiden. Und sein hilfreicher Beryll lag zu Hause auf dem Schreibtisch. Da lag er gut, fluchte er leise. Allerdings hatte er nicht ahnen können, dass er ihn hier benötigen würde.
Bramante legte das Pergamentchen in sein Gehäuse zurück, verschloss die Kammer und nahm den Ring an sich. Er wollte sich später damit beschäftigen. Nachdenklich murmelte er: »Das Sterben hat mit Angelo Poliziano begonnen, jetzt Giovan, und dabei wird es nicht bleiben!«
»Wie bitte?«, fragte der Arzt.
Der Architekt musterte den Arzt mit leerem Blick. Nach einer Weile besann er sich und brummte: »Woran ist er gestorben?«
»Ein Fieber oder …«
»Oder?«
»Gift.«
»Meiner Treu, also doch!«
»Nicht unbedingt.«
»Könnt Ihr die genaue Todesursache nicht herausfinden?«
»Zu anderen Zeiten vielleicht, jetzt nicht. Guter Mann, die Franzosen sind in der Stadt. Und Frà Savonarola, der jetzt das Sagen hat und unter ihrem Schutz steht, verbietet das Öffnen von Leichen.«
Dann erging sich der Arzt in mannigfaltigen, von Latein durchsetzten Erläuterungen. Bramante verstand nur so viel, dass er wohl niemanden finden würde, der eine Leichenöffnung zur Feststellung der Todesursache vornehmen würde. In dieser einst so stolzen Stadt schienen sich alle vor dem finsteren Prediger Savonarola zu fürchten. Und nannten das Freiheit. Vom Joch der Medici befreit, hatten sie sich in die Tyrannei des Tugendboldes geflüchtet. Die Menschen konnten mit Freiheit nichts anfangen, sinnierte Bramante düster. Dann schob er seine trüben Gedanken beiseite und richtete seine Aufmerksamkeit auf das Nächstliegende. »Wie kann ich für seine Beerdigung sorgen?«
»Geht zu Federico, dem Tischler. Er wohnt in Santa Croce, gegenüber der Franziskanerkirche. Er kennt alle Priester und alle Friedhöfe. Wenn Euch jemand helfen kann, dann er. Grüßt ihn von mir. Und geizt nicht mit der Bezahlung, wenn Ihr es würdig und pietätvoll wünscht, denn Euren Geiz würde der Tote büßen.«
Als Bramante auf die Straße trat, um den Beerdigungsunternehmer aufzusuchen, stellte er fest, dass es regnete. Doch es war nicht das nasskalte Wetter, das ihn schaudern und unwillkürlich die Schultern hochziehen ließ, sondern der Frost, der sich in seinem Innern ausbreitete. Plötzlich stieg Angst in ihm hoch, Angst, ebenso einsam zu sterben wie sein Freund Pico, der Liebling der Götter und der Frauen. Die Götter waren untreu. Und die Frauen? Wenn er Näheres über den Tod des Grafen erfahren wollte, musste er den Sekretär finden. Der aber schien sich in Luft aufgelöst zu haben.
Giacomo il Catalano, der zwei Jahre lang in der Maske des Sekretärs Sebastiano für Pico tätig gewesen war, hatte die Stadt gerade hinter sich gelassen, als er den Verlust seines Ringes bemerkte. Rasch wendete er das Pferd und galoppierte zurück. Doch er kam zu spät. Untätig musste er mit ansehen, wie ein stattlicher, grimmig blickender Mann mit wenig Haupthaar, mit dem im Handgemenge sicher nicht zu spaßen wäre, mit einem Arzt das Haus des Grafen betrat. Giacomo wartete ungeduldig. Weshalb hielten sich die beiden Männer so lange in dem Haus auf? Sollte es ihnen etwa gelungen sein, Picos Leben zu retten? Giacomo machte sich Vorwürfe, dass er nicht den Tod seines Opfers abgewartet hatte. Da er den Grund für die Nachlässigkeit kannte, ärgerte er sich nur umso mehr über seinen Fehler. Zum ersten Mal hatten ihm banale
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