Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
mit schwarzen Hosen und einem blauen Wams, aus dessen Kragen die Spitzen eines gelben Hemdes stachen, etwas zu fein für die Baustelle gekleidet war. Mit seinem Kinnbärtchen sah er aus wie ein Cavaliere. Der Künstler blickte den Unbekannten ärgerlich an.
»Was geht’s dich an?«, brummte er und verließ fluchtartig den Ort. Er wollte mit niemandem reden. Lange streifte er ziellos durch Rom, bis er im Rione Colonna vor der Klosterkirche San Silvestro in Capite anhielt. Er betrat die Basilika, in der das Licht einen bedächtigen Tanz aufführte. Er stand wie verzaubert und beobachtete die schwebenden Staubkörnchen, die das Licht reflektierten. Gab es einen anderen Ausdruck für Gottes Liebe als die tanzende Materie in den Energien der Engel? Er erschrak. Vor der Fenestella des Johannes kniete eine Frau. Die Innigkeit ihres geflüsterten Gebets rührte ihn an. Wie lange er sie beobachtete, wusste er nicht. Schließlich erhob sie sich. Als sie ihn sah, musterte sie ihn neugierig.
»Warum habt Ihr nicht mitgebetet, Messèr?«, fragte sie ihn mit sanfter, klangvoller Stimme. Sie war nicht schön, alles an ihr wirkte rund, matronenhaft, ohne aber im Mindesten den Eindruck der Korpulenz aufkommen zu lassen. Und doch war sie schön, auf eine Weise, die ihn verwirrte. Es hatte nichts mehr mit Männern und Frauen und dem ewigen Begehren zu tun. Die Liebe hatte ihren eigenen Körper geschaffen. Ihre Stimme umfing ihn und wiegte ihn in Vertrauen. Deshalb wagte er es und ließ seinem Gefühl freien Lauf. Er wunderte sich, dass ein so misstrauischer Mensch wie er einer Fremden gegenüber bereitwillig seine sorgsam verborgenen Gedanken enthüllte, die so geheim waren, dass er sie bis jetzt nicht einmal sich selbst eingestanden hatte.
»Weil ich nicht mehr beten kann.« Seine Worte erschreckten ihn.
»Ich kenne das. Ihr fragt Euch, zu wem Ihr eigentlich die Hände erhebt.«
»Woher wisst Ihr das?« Michelangelo zog es fort, doch seine Füße waren wie angewurzelt.
»Ist Gott gerecht oder ungerecht? Ist er der liebende, der verzeihende oder der strafende Weltenherrscher? Durch welche Werke erlange ich seine Liebe und die ewige Seligkeit?«
Michelangelo wankte. Sie sprach aus, was er nicht einmal zu denken wagte. »Wer seid Ihr?«
Sie lächelte spöttisch. »Braucht Ihr einen Namen für den Gedanken, eine Adresse?«
Michelangelo schaute verlegen auf seine verfärbten Hände, auf das Blau und das Rot, das Grün und Krokusgelb, das auch die Altarwand bedeckte.
»Habt Ihr Euch in Eurer Pietà nicht bereits selbst die Antwort gegeben, Messèr Michelangelo?«, fragte die Frau.
»Die Liebe?«, fragte er verunsichert.
»Wir glauben, weil er uns liebt, lebten wir nicht aus unseren Verdiensten heraus, sondern aus seiner Gnade. Gott ist kein Händler, sondern ein Schenkender. Es ist an uns, das Geschenk anzunehmen.«
»Ihr meint, auf den Glauben allein kommt es an?«
»Wir müssen ihn endlich wie ein teures Gut schätzen lernen, denn wir gehen nicht gut mit ihm um. Glauben zu können ist auch eine Gnade, ein Geschenk des Allmächtigen.«
Allmählich begriff Michelangelo, was er gemalt hatte. Die Geste der Verdammung hatte noch eine zweite Bedeutung: Sie verwarf auch das falsche Denken, die falsche Vorstellung vom Glauben. Die Unruhe in den Heiligen und den Märtyrern, die fast verzweifelt ihre Werke vorzeigten, die Zeugnisse ihrer Qualen, die sie für den Glauben auf sich genommen hatten, entstand deshalb, weil Christus sie verwarf. Er blieb auch im Himmel der Prediger in der Wüste. Es war, als sagte er: »Kommt mir nicht mit dem, was ihr um meinetwillen gelitten habt, kommt mir mit eurem reinen, mit eurem kindlichen Glauben. Das genügt. Es ist wenig und doch so viel.«
»Ich bin Vittoria Colonna«, unterbrach sie den Sturm an Gedanken und Assoziationen, der durch sein Gehirn brauste. Er staunte, denn er hatte schon viel von ihr gehört. »Die Marchesa di Pescara!« er wusste, dass sie eine Dichterin war und der Mittelpunkt eines Kreises von Kirchenfürsten, die den katholischen Glauben reformieren wollten und auf die Wiedervereinigung mit den Protestanten hinarbeiteten. Einflussreiche Männer wie die Kardinäle Morone, Contarini und Pole standen in engem Kontakt mit ihr. Die Theoretiker des Kreises wie Juan de Valdes, Bernardino Orchino oder Pietro Martire Vermigli wurden Spirituali genannt, weil sie einen derart verinnerlichten Glauben lebten, dass es dem der Ketzer im Norden gefährlich nahekam.
Vittoria lächelte ihn
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