Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
Gesicht der Gottesmutter gegossen. Das Werk war für ihn das Mausoleum seiner verlorenen Liebe. Und wie hätte die-se Liebe ihn beim Schaffen inspirieren können?
Er zerknüllte auch den letzten gerade begonnenen Entwurf für das Grabmal des Papstes, als jemand heftig an seine Tür klopfte. Mit einem mürrischen Laut stand er auf und wollte dem Besucher öffnen, doch da stand Giuliano da Sangallo bereits im Raum.
»Nicht einmal dein Haus hältst du verschlossen!«, rief er. »Ich mache mir ernsthafte Sorgen um dich, mein Freund.«
»Und weshalb?«, fragte Michelangelo verblüfft.
Der Architekt zog das ausladende schwarze Barett vom Kopf, warf es achtlos auf einen Schemel und schritt erregt in der Kammer auf und ab. Vor Anspannung kniff er den Mund zusammen, wodurch sich das welke Fleisch seiner Wangen ein wenig hob.
»Weshalb, weshalb, weshalb!« Er riss die Arme in die Höhe. »Kannst du dir das nicht denken? Du spielst auf Leben und Tod, Michelangelo. Julius ist jähzornig. Wenn du seine Vorstellungen nicht triffst, ist deine Karriere in Rom beendet! Dabei hat sie, wenn man es recht betrachtet, noch nicht einmal begonnen. Der kluge Mann sichert sich ab«, setzte Sangallo hinzu und beendete seine Rede mit einem kräftigen »Merda!« , wobei seine Gesichtsfarbe ins Rote wechselte und seine Barthaare bedrohlich zitterten.
Michelangelo stand auf, rückte einen Stuhl vor, und Sangallo ließ sich erschöpft darauf nieder. »Sollte dein Entwurf den Papst gar beleidigen, weil das Grabmal zu klein ist oder ihn an den Borgia oder an Gott weiß wen und was erinnert«, fügte er etwas leiser hinzu, »dann sind fehlende päpstliche Aufträge noch das geringste Übel, das dir von seiner Seite widerfahren kann, mein David. Unser heiliger Vater ist nämlich ein großer Hasser vor dem Herrn.«
Michelangelo musste lächeln, als Sangallo ihn mit David verglich, jenem biblischen Knaben, der Goliath besiegt und dessen Statue er vor Jahresfrist für die Florentiner geschaffen hatte.
»Seiner Heiligkeit würde es gar nicht gefallen, mein beunruhigter Freund, dass du ihn mit dem tumben Goliath gleichsetzt«, meinte der Bildhauer.
»Ach, hol dich doch der Teufel! Und rede verdammt noch mal mit mir nicht wie mit einem Höfling. Verrate mir lieber, was du jetzt zu tun gedenkst!«
»Zeichnen«, gab Michelangelo barsch zurück, wobei sein Ärger weniger dem Freund galt als sich selbst, weil alles, was er bisher entworfen hatte, nichts taugte.
»Ja, aber was willst du zeichnen?«, brüllte Sangallo, den es vor Empörung nicht auf dem Stuhl hielt.
»Den Entwurf des Grabmals«, erwiderte Michelangelo ruhig. »Lieber Freund, es ist doch ganz einfach. Es wird das größte und schönste Monument, das die Welt je gesehen hat. Es kann ihm nicht missfallen, ganz ausgeschlossen!«
»Wieso bist du so fest davon überzeugt?«, fragte Sangallo, der aus Verzweiflung über die Selbstsicherheit Michelangelos ganz blass geworden war.
»Weil ihm das Größte und Schönste nicht missfallen kann«, war die Antwort.
Sangallo kniff die Augen zusammen und musterte seinen jungen Schützling. Nein, er wurde nicht verspottet, er blickte in ein sehr ernsthaftes Gesicht. Nicht Hochmut oder Überheblichkeit sprachen aus Michelangelos Worten, nur die Gewissheit des eigenen Könnens. Dieser setzte sich wieder an den Tisch und sprach seine Überzeugungen aus, während sein Bleigriffel schon über das Papier flog.
»Es ist das Ende der Kunst, wenn sie nur noch Geschmackssache ist, sodass Krethi und Plethi meinen, sie könnten sich ein Urteil darüber erlauben. Der Kunst darf es nicht darum gehen, dem Volk zu gefallen – auch den Mächtigen nicht –, sie hat einzig danach zu streben, sich selbst zu gefallen. Denn wer könnte höhere Maßstäbe an die Kunst anlegen als die Kunst selbst?«
Sangallo schwieg eine Weile. Dann stieß er fast tonlos hervor: »So gebe Gott uns immer kunstverständige Herren.«
»Ja, und Amen«, sagte Michelangelo und nutzte die Gelegenheit, den Zorn, den er auf sich selbst empfand, an anderen auszulassen. »Unter der Herrschaft der Schweine wird die Welt zu einem Schweinestall. Und wer, mein Freund, braucht einen David neben dem Koben und wer eine Gioconda über der Suhle? Nein, wir werden immer kunstverständige Herren haben, weil wir durch die Kunst mit Gott reden und Gott mit uns. Die Maße der Kunst sind Gottes Maße.«
»Solange wir an Gott glauben«, sagte der Architekt und erschrak sogleich, als er die Konsequenz seiner
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