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Die Kurtisane des Teufels

Die Kurtisane des Teufels

Titel: Die Kurtisane des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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»Verstehe. Also gut. Ich nähe die Wunde und lasse die Kleine zur Ader. In ein paar Tagen ist sie wieder wie neu. Von mir erfährt niemand, dass ihr hier wart. Mein Lehrbursche liefert gerade eine Salbe aus und wird nicht so bald zurückkehren.«
    Tapfer ertrug Kitty die Behandlung des Chirurgen, der die Wunde zuerst mit Wein wusch und die Ränder sodann mit ein paar Stichen zusammennähte. Nachdem er noch eine Salbe aufgetragen hatte, legte er einen Verband aus Leinenstreifen um die Brust der jungen Frau. Schließlich reichte er ihr einen Stab, auf den sie den rechten Arm stützen sollte, und drückte Daniel ein Aderlassbecken aus Messing in die Hand.
    »Wenn Ihr so freundlich wärt«, bat Meister Hearne, während er Kittys Arm oberhalb des Ellbogens mit einer Wollbinde abband.
    Dann ritzte die scharfe Spitze einer Lanzette die hervortretende Vene in der Armbeuge, und dunkles Blut rann in die Aderlassschale.
    »Vierzehn Unzen dürften genügen«, erklärte Meister Hearne, als er die Wunde zudrückte und so den Blutfluss unterbrach. »Lasst sie einen Tag und eine Nacht schlafen, dann wird es ihr bald bessergehen.«
    Nachdem die Wunde verbunden war, ließ Daniel Kitty wieder in seinen Rock schlüpfen und führte sie aus der Chirurgenstube. Das Mädchen fühlte sich wie in Watte gepackt. Sie hatte keine Schmerzen mehr, und die Schrecken der letzten Nacht schienen unendlich weit weg. Sie wollte nur noch schlafen. Dankbar ließ sie sich von dem kräftigen Arm, der um ihre Taille lag, stützen. Daniel hielt eine Mietkutsche an und schob sie hinein. Sie hörte nicht mehr, welches Ziel er dem Kutscher angab. Ihr Kopf sank an seine Schulter, und sie schlief augenblicklich ein.

7
    Ein warmer Sonnenstrahl kitzelte Kittys Nase und reizte sie zum Niesen. Verwirrt sah sie sich um. Sie lag in einem Bett, dessen verblichene Vorhänge bis auf einen schmalen Spalt zugezogen waren. Als sie sich aufrichtete, um sie zu öffnen, verspürte sie einen ziehenden Schmerz unter der linken Brust. Schlagartig kehrte die Erinnerung an die vergangene Nacht zurück.
    Wie knapp sie dem Tod entronnen war! Sie verdankte ihr Leben einzig und allein Daniel Gascoyne. Doch ein Blick in die Kammer verriet ihr, dass sie allein war. Er hatte sie in Sicherheit gebracht und dann verlassen … Kittys Herz krampfte sich zusammen, und in ihrer Kehle bildete sich ein Kloß, der ihr das Atmen schwermachte.
    Durch den Schleier der aufsteigenden Tränen versuchte Kitty zu ergründen, wo sie sich befand. Die Kammer war spärlich eingerichtet, aber sauber. Die Wände waren mit schmucklosem dunklem Holz getäfelt, auf dem einfachen Kaminsims standen ein paar Töpfe, Schüsseln und eine bauchige Kanne aus Ton. Der Boden aus frisch gescheuerten Holzbohlen war mit Binsenmatten bedeckt, und die Schiebefenster, durch die die Mittagssonne hereinfiel, wiesen weder Läden noch Vorhänge auf. Abgesehen von dem breiten vierpfostigen Bett gab es noch einen Tisch mit zwei Stühlen, einen Schemel, einen Waschstand und einen kleinen Schrank, der an der Wand hing. Wäscheleinen waren vor den Kamin gespannt, und im Nachttopf steckte ein Strauß Frühlingsblumen.
    Als Kitty die Decke zurückschlug, bemerkte sie, dass sie angekleidet war. Daniel hatte also den Anstand gewahrt. Ein Gefühl der Rührung überkam sie. Manch anderer Mann hätte die Situation vermutlich ausgenutzt.
    Kitty biss die Zähne zusammen, erhob sich aus dem Bett und trat an den Waschstand. Nachdem sie sich entkleidet, den Verband entfernt und sich gewaschen hatte, weichte sie das blutdurchtränkte Leinenhemd in frischem Seifenwasser ein und versuchte, die rotbraunen Flecken durch kräftiges Rubbeln zu entfernen. Doch das Blut war schon zu lange eingetrocknet. Schließlich gab sie auf, hängte das Hemd zum Trocknen über die Wäscheleine und schlüpfte in ihr Mieder, das sich aufgrund der zerschnittenen Verschnürung nur notdürftig schließen ließ. Kitty war noch damit beschäftigt, die Bänder straff zu ziehen, als sie das Knarren von Treppenstufen vernahm, die unter leichten Schritten nachgaben. Kurz darauf hob sich der Riegel, der die Tür zu der Kammer verschloss, und Daniel Gascoyne trat über die Schwelle.
    Kittys Herz machte einen Freudensprung. Erleichtert eilte sie ihm entgegen und warf sich ihm an den Hals.
    »Dem Herrn sei Dank«, rief sie. »Ihr seid zurück. Ich dachte, Ihr hättet mich verlassen.«
    Vorsichtig stellte Daniel den Beutel, den er in der linken Hand gehalten hatte, auf dem Boden ab,

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