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Die Kurtisane des Teufels

Die Kurtisane des Teufels

Titel: Die Kurtisane des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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Hyde Park gewesen sein, kurz nachdem die Kutsche überfallen worden war. Offenbar lief er Jonathan Wild über den Weg, als dieser auf der Suche nach den Räubern war, und wurde festgenommen.«
    »Mr. Wild behauptete, dass er das Diebesgut bei Thomas fand«, berichtete Kitty. »Warum hat er gelogen? Welchen Vorteil hätte er davon, einen Unbeteiligten zu beschuldigen?«
    Daniel senkte den Blick. »Aufgrund der zunehmenden Zahl an Verbrechen erließ die Regierung im Jahre 1693 das sogenannte Straßenräuber-Gesetz, in dem niedergelegt ist, dass jeder, der einen Räuber festnimmt und seine Verurteilung erwirkt, eine Belohnung von vierzig Pfund erhält.«
    »Vierzig Pfund? Das ist ein Vermögen«, stieß Kitty entgeistert hervor. »Das verleitet ja regelrecht dazu, wahllos Menschen zu beschuldigen, die nie ein Verbrechen begangen haben.«
    »Das ist wahr. Die Obrigkeit wusste sich wohl nicht anders zu helfen«, erklärte Daniel. »Angesichts der Verbrechenswelle verlangte die wohlhabende Bevölkerung wirkungsvolle Maßnahmen. Bewaffnete Räuber trieben des Nachts sogar in den Straßen der Innenstadt ihr Unwesen und überfielen Kutschen. Und es war offensichtlich, dass die Nachtwächter und unbezahlten Konstabler, denen es nicht einmal gestattet ist, die Grenze ihres Bezirks zu überschreiten, nichts dagegen ausrichten konnten. Wir Engländer wollen nun einmal keine gut organisierte Polizei wie manche Länder auf dem Kontinent. Stattdessen verlässt man sich lieber auf die Unehrlichkeit der Gauner und versucht, sie durch Belohnungen dazu zu bewegen, ihre Kameraden zu verraten. Jonathan Wild hat eine Kunst daraus gemacht, sie gegeneinander auszuspielen. Seit er in der Stadt wirkt, soll er über fünfzig Räuber und Einbrecher festgenommen haben. Inzwischen machen die Wegelagerer einen großen Bogen um London.«
    »Aber mein Bruder war kein Straßenräuber«, beharrte Kitty. »Es muss doch eine Möglichkeit geben, Wild für seinen ungerechten Tod zur Rechenschaft zu ziehen.«
    Traurig schüttelte Daniel den Kopf. »Nachdem es Wild gelungen ist, die Mörder von Mistress Knap aufzuspüren und ihre Verurteilung zu erlangen, genießt er bei den Bürgern der Stadt einen geradezu heldenhaften Ruf.« Er sah die junge Frau eindringlich an. »Niemand würde Euch glauben, wenn Ihr Wild beschuldigen würdet, er hätte Euren Bruder zu Unrecht an den Galgen gebracht. Versteht Ihr?«
    Kitty erinnerte sich an das Kuriositätenkabinett, das der Diebesfänger ihr gezeigt hatte und das seine beeindruckenden Erfolge dokumentierte. Widerwillig sah sie ein, dass Daniel recht hatte. Sie konnte nichts tun, um den Namen ihres Bruders reinzuwaschen.
    Bedrückt erhob sie sich und trat ans Fenster. Die Sonne schien in all ihrem Glanz, und die Vögel zwitscherten fröhlich und unbekümmert auf den Dächern der Häuser, als gäbe es keine Sorgen auf dieser Welt. Tränen traten in Kittys Augen und verwischten das unbeschwerte Bild. Schritte näherten sich ihr, und warme Hände legten sich auf ihre nackten Schultern.
    »Es tut mir leid«, sagte Daniel leise.
    Sanft drehte er sie um. Sie hob ihren verschleierten Blick zu ihm. Da senkte er den Kopf, und seine Lippen berührten die ihren. Sein Atem erfüllte ihren Mund, seine Zunge streifte die ihre, die zuerst erschrocken zurückwich, sich im nächsten Moment jedoch dem köstlichen Spiel hingab, in das er sie verwickelte. Noch nie zuvor hatte sie einen Mann auf diese Weise geküsst. Die Empfindungen, die die Zärtlichkeit in ihr auslöste, machten sie schwindeln. Es war wie ein Weinrausch, der die Sinne jedoch nicht betäubte, sondern schärfte. Ein seltsames Gefühl flammte in ihrem Schoß auf, das augenblicklich Gewalt über sie erlangte und sie enger an diesen warmen lebendigen Männerkörper drängte. Seine Arme legten sich um sie und pressten sie so fest an ihn, dass ihr das Atmen schwerfiel. Und als er seine Lippen von den ihren löste und sie losließ, empfand sie tiefe, bittere Enttäuschung.
    Überrascht sah er sie an. »Wer hätte das gedacht?«, sagte er in spöttischem Ton, der seine Freude über die leichte Eroberung verbergen sollte. »Hinter Eurem züchtigen Äußeren verbirgt sich eine ungeahnte Leidenschaft.«
    Beschämt schlug Kitty die Augen nieder. Die Erinnerung an ihren Zusammenstoß mit dem Messerstecher kehrte zurück. Er hatte eine ähnliche Bemerkung gemacht, auch wenn er sich weitaus gröber ausgedrückt hatte. War es möglich, dass ihr Körper so leicht erregbar war, dass er

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