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Die Kurtisane des Teufels

Die Kurtisane des Teufels

Titel: Die Kurtisane des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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bevor er die Arme um sie legte und sie fest an sich drückte. Seufzend barg Kitty das Gesicht im Stoff seines Rocks, der neben dem Pfeifenrauch aus »Tom Kings Kaffeehaus« noch eine Spur vom Duft des Heus aus der Scheune bewahrte. Darunter verbarg sich der Geruch eines jungen männlichen Körpers. Als sie den Kopf hob, streifte ihre Wange die rauhen Stoppeln seines unrasierten Kinns, und ihr Blick begegnete dem halb gerührten, halb ironischen Ausdruck seiner braunen Augen, die von langen dunklen Wimpern beschattet wurden. In den Augenwinkeln vertieften sich die Lachfältchen, als er ihr ein breites Lächeln schenkte.
    »Wie ich sehe, seid Ihr wieder wohlauf«, sagte er zufrieden.
    Auf einmal wurde sich Kitty ihres überschwenglichen Verhaltens bewusst und löste sich beschämt von ihm. Er hielt sie ohnehin schon für töricht, ohne dass sie ihm ihre Zuneigung so offen zeigte. Mit gesenktem Blick trat sie an das Schiebefenster und sah zwischen den Sprossen hinaus über die Dächer der Stadt.
    »Wo sind wir?«, fragte sie leise.
    »In Clerkenwell, nördlich von Smithfield«, antwortete er.
    Sie hörte, wie er seinen Hut ablegte, den Leinensack aufhob und den Inhalt auf dem Tisch ausbreitete.
    »Ich habe die Kammer für drei Schillinge und sechs Pence die Woche für Euch gemietet und für eine Woche bezahlt. Hier könnt Ihr Euch erholen, bis Ihr die Heimreise antretet.«
    Entrüstet fuhr sie herum. »Ihr habt also entschieden, dass ich nach Hause fahren soll, ohne mich nach meiner Meinung zu fragen!«
    »Es ist das einzig Vernünftige«, widersprach der junge Mann. »Euer Bruder ist tot. Ihr habt niemanden hier.«
    »In Stamford gibt es auch niemanden, der mir helfen kann. Außer Thomas hatte ich keine Verwandten mehr.«
    »Mir ging es ebenso, als ich nach dem Tod meiner Eltern Southampton verließ. Ich hätte zur See gehen können, aber das Dasein auf einem schwankenden Schiff ist nichts für mich. Also ging ich nach London.« Er trat zu ihr. »Seit ich hier bin, ist mir noch kein Mensch begegnet, mit dem ich mein Leben teilen wollte – bis vor ein paar Tagen.« Sein sonst so forscher Blick wurde zurückhaltend, fast schüchtern. »Ihr habt mich vom ersten Augenblick an gefesselt, Kitty. Eure Unverblümtheit, aber auch Eure Naivität, die Euch noch oft in Bedrängnis bringen wird, ist in dieser Welt der Selbstsucht und Verschlagenheit wie ein erfrischender Frühlingsregen. Aber für Euch wäre es besser, Ihr würdet in Eure Heimatstadt zurückkehren.«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte er sich wieder dem Proviant zu, den er mitgebracht hatte. Mit einem Messer, das er zwischen den Schüsseln fand, schnitt er den Laib Brot in Scheiben und ließ danach dem Käse dieselbe Behandlung angedeihen. Aus einer Flasche goss er schließlich Ale in zwei Zinnbecher und verteilte die Stücke eines kalten Hühnchens auf einem Teller.
    »Ihr müsst hungrig sein nach all der Aufregung.«
    Noch immer überwältigt von seinem Geständnis, trat Kitty an den Tisch und setzte sich auf den Stuhl, den Daniel ihr anbot. Während sie aßen, trafen sich ihre Blicke und entlockten ihnen das ein wenig scheue und zugleich herausfordernde Lächeln derer, die im Begriff sind, sich ineinander zu verlieben. Als Nachtisch holte Daniel einen Apfel aus dem Beutel hervor, rieb ihn an seinem Ärmel sauber und schnitt ihn in vier Teile. Dann nahm er eines der Viertel und reichte es Kitty, doch als sie danach greifen wollte, zog er die Hand immer wieder neckend zurück, bis sie es lachend aufgab. Da streifte Daniel mit dem saftigen Apfel sanft ihre Lippen, und sie biss hinein. So ging das Spiel eine ganze Weile hin und her, bis sie vor Lachen außer Atem waren.
    »Ihr seid wirklich erstaunlich«, entfuhr es ihm plötzlich. »Dass Ihr so unbeschwert sein könnt, nach allem, was passiert ist.«
    Im nächsten Moment bereute Daniel seine unbedachte Bemerkung, denn sie ließ einen Schatten über Kittys Züge fallen.
    »Ich verstehe noch immer nicht, wie es so weit kommen konnte«, sagte sie. »Was hat Thomas getan, dass man ihn des Straßenraubs bezichtigte? Ich bin sicher, er war unschuldig.«
    Daniel sah sie unschlüssig an, dann überwand er sich und nickte bestätigend. »Das war er, so tragisch es ist.«
    »Woher wisst Ihr das?«
    »Solche Dinge sprechen sich in Covent Garden schnell herum. Es gibt dort viele Menschen, die mit einem Bein in der Unterwelt stehen und recht gut wissen, wer für welchen Raub verantwortlich ist. Euer Bruder muss zufällig im

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