Die Kurtisane des Teufels
ihnen folgte, und da er ihn in einiger Entfernung die Gasse heraufhasten sah, wandte er sich flink nach links, Smithfield zu. Doch bevor sie den Marktplatz erreichten, bog Daniel ein weiteres Mal links ab. Ein Durchgang führte auf den Hof einer Herberge, dem »George Inn«. Nachdem sich der junge Mann sorgfältig umgesehen hatte, eilte er mit Kitty zu den Ställen und tauchte hinein. Der schwere Duft nach frischem Heu und Pferden umfing sie.
»Hier hinauf!«, befahl Daniel und schob des Mädchen ohne viel Federlesen eine Leiter hoch. Entkräftet sank Kitty ins Heu. Daniel, der ihr gefolgt war, näherte sich vorsichtig der Luke, die auf den Hof der Herberge führte, und blickte hinaus. Eine ganze Weile blieb er auf seinem Wachposten, bevor er sich entspannte und zu ihr zurückkehrte.
»Er wird eingesehen haben, dass er Verstärkung braucht«, murmelte der junge Mann. Sein besorgter Blick streifte das Mädchen. »Ihr seid verletzt.« Seine Hand, die ihre linke Brustseite berührte, färbte sich rot. Das Blut war auf dem schwarzen Schnürleib kaum zu sehen gewesen. Erst jetzt kam Kitty der Schmerz wieder zu Bewusstsein, und sie stöhnte leise.
»Offenbar ist die Klinge nicht tief eingedrungen«, vermutete Daniel. »Wenn die Lunge verletzt wäre, würdet Ihr Blut spucken. Habt Ihr Schwierigkeiten beim Atmen?«
Kitty schüttelte den Kopf. Sie war nur zu Tode erschöpft.
»Hier können wir nicht bleiben«, sagte er mitfühlend. »Sie werden das ganze Viertel nach uns absuchen.«
Da sie keine Anstalten machte, aufzustehen, legte er den Arm um ihre Taille und hob sie auf die Beine.
»Nehmt Euch zusammen. Tut, was ich sage, wenn Ihr überleben wollt.«
Kitty bemühte sich, ihm zu gehorchen, doch ihre Kräfte ließen immer mehr nach. Beim Verlassen der Herberge musste Daniel sie stützen, und auf dem Weg durch die Gassen um Smithfield kamen sie nur langsam voran. Eine Ewigkeit schien vergangen, als sich Kitty trotz ihrer Erschöpfung bewusst wurde, dass sie die Drury Lane erreicht hatten.
»Bringt Ihr mich nach Covent Garden?«, fragte sie.
»Nein, dort wärt Ihr nicht sicher«, erwiderte Daniel ernst.
Schließlich blieb er vor einem Haus stehen und warf ein Steinchen an eines der Fenster. Kurz darauf wurde ein Flügel geöffnet, und eine junge Frau, auf deren dunklem Haar eine spitzenbesetzte Haube saß, blickte heraus.
»Susannah, lass uns rein«, bat Daniel.
»Du wagst es tatsächlich, hier aufzutauchen, nachdem du dich wochenlang nicht hast blicken lassen«, keifte sie empört zurück. »Verschwinde!«
»Bitte, Susannah, ich brauche deine Hilfe.«
»Pah, einschmeicheln willst du dich«, meinte sie abfällig. »Wen hast du bei dir? Dein neues Flittchen?«
»Sie ist Tom Marshalls Schwester.«
Da verstummte die Frau. Einen Moment zögerte sie noch, dann zog sie den Fensterflügel zu. Kitty hörte sie eine Treppe herabeilen. Leise öffnete sich die Haustür.
»Kommt rein«, sagte sie und trat zur Seite.
Den Arm noch immer um Kittys Taille, half Daniel ihr die schmale Stiege hinauf, einen Gang entlang und schließlich in eine kleine Kammer, in der erhebliche Unordnung herrschte. Sanft ließ er sie auf den Rand des Bettes sinken und wandte sich an die junge Frau, die ihn mit verschlossener Miene ansah.
»Hast du Brandy da?«
»Sehe ich aus wie eine Säuferin?«, antwortete Susannah gereizt. Doch dann schien sie ihre harten Worte zu bereuen und fügte entgegenkommender hinzu: »An der Ecke ist ein Laden, in dem sie Brandy verkaufen. Wenn du mir Geld gibst, hole ich eine Flasche.«
Lächelnd griff Daniel in seine Westentasche und gab ihr eine Münzmarke von »Tom Kings«. »Die nehmen sie überall«, erklärte er.
Während sich die Frau zu ihrem Botengang aufmachte, forderte er Kitty auf, sich auf das Bett zu legen, das mit einem fadenscheinigen Laken und einer halbwegs sauberen Decke bezogen war. Widerstandslos ließ sie es zu, dass er die teilweise zerschnittenen Schnürbänder löste und ihr Mieder öffnete. Das Hemd, das zum Vorschein kam, war blutdurchtränkt. Mit gerunzelter Stirn stand Daniel auf, goss Wasser aus dem Waschkrug in eine Schüssel, nahm ein Handtuch von einem Schemel und die einzige Kerze vom Kaminsims und kehrte zum Bett zurück. Behutsam schob er das Hemd bis zu ihren Brüsten hoch, wusch die Wunde in der linken Seite aus und begutachtete sie.
»Ihr hattet großes Glück«, sagte er schließlich erleichtert. »Vermutlich ist die Klinge an einem der Fischbeinstäbe Eures Mieders
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