Die Lady auf den Klippen
musste, sie zu lieben. Ein Engel saß an diesem Schreibtisch. Ein zerbrechlicher Engel, der seiner Hilfe und seines Schutzes bedurfte.
Er rührte sich nicht, spürte, dass er sie noch immer liebte – und dass es immer so sein würde. Tief sog er ihren anmutigen Anblick in sich auf und war sich wohl bewusst, dass diese Gelegenheit vielleicht nie wieder kam. Sie waren durch den großen Raum voneinander getrennt, aber plötzlich sah sie auf.
Blanche stieß einen leisen Schrei aus.
Er schloss die Tür und hinkte langsam vorwärts, dabei schlug sein Herz so laut, dass er glaubte, sie müsse es hören.
Sie sah ihn an, ohne zu lächeln. Ihre Anspannung war offensichtlich.
Eine schreckliche Vorahnung stieg in ihm auf. Warum musste es so sein? „Ich hatte gehofft, wir könnten Freunde bleiben“, sagte er leise. Aber sie hatte seine Freundschaft nicht gewollt. Bis gestern hatte er alles vergessen wollen, soweit es sie betraf. In diesem Moment wollte er ihre Freundschaft um jeden Preis erneuern. Damit könnte er sich begnügen.
Sie schluckte. „Wie sind Sie hereingekommen?“
Jetzt starrte er sie an, überrascht darüber, wie blass sie war, und – schlimmer noch – wie mager. Sie hatte an Gewicht verloren, und offensichtlich schlief sie nicht, denn sie hatte dunkle Ringe unter den Augen. Sie sah sehr zerbrechlich aus – und krank. Mit Macht erwachte sein Beschützerinstinkt. „Ihr Butler.“ Er lächelte und versuchte, sie mit all dem Charme zu überschütten, den er besaß. „Ihre Freundin hat mich abgewiesen, aber ich beschloss, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Falls Sie entsetzt sind – und ich sehe, dass es so ist – so hoffe ich, dass Sie mir verzeihen werden.“ Er hielt ihrem Blick stand. „Sie haben mir schon weitaus schlimmere Vergehen verziehen.“
Sie holte tief Luft. „Ich kann das nicht, Sir Rex.“
Er erschrak. Etwas stimmte nicht. „Sie können nicht mit mir sprechen, als einem guten Freund der Familie?“
Sie spitzte die Lippen. Er sah, dass sie zitterte. „Es ist zu schwer“, flüsterte sie.
„Blanche, ich verstehe das nicht. Oder habe ich Sie irgendwie in Land’s End beleidigt, dass Ihre Zuneigung sich in Abscheu und Verachtung verwandelt hat?“
Sie machte große Augen. „Natürlich nicht!“ Sie stand auf und schwankte dabei leicht. „Ich verachte Sie nicht.“ Ihr traten Tränen in die Augen. „Ich bewundere Sie – wir werden immer Freunde sein.“
Rex schloss die Augen und bekämpfte den unsinnigen Wunsch, zu ihr zu gehen und sie in seine Arme zu schließen – und sie zu lieben, wenn sie es zuließ. Schließlich öffnete er die Augen wieder und lächelte sie ermutigend an. „Dann sind wir uns einig, denn ich werde Sie immer bewundern – und ich werde immer Ihr Freund sein“, sagte er betont leichthin.
Er hörte, wie sie zitternd nach Atem rang.
„Warum weinen Sie?“, fragte er leise. „Und was macht Paul Carter hier?“
Sie zuckte zusammen und sah ihn aus tränenverschleierten Augen an. „Haben Sie nicht die Gerüchte gehört? Oder sind Sie gerade erst angekommen?“
„Ich bin gestern angekommen. Und ich hörte, dass Sie im Begriff stehen, sich zu verloben.“
Sie errötete und wandte sich ab. Dann flüsterte sie: „Ich meinte die anderen Gerüchte.“
Er starrte sie an, bis sie zu ihm aufsah. Er wusste, was sie meinte, tat aber so, als verstände er sie nicht.
Blanche lächelte traurig. „Ich bin verrückt.“
Er erschrak über den Tonfall, in dem sie die Worte aussprach. „Sie sind nicht verrückt! Sie sind die vernünftigste Frau, die ich kenne. Glauben Sie doch solchen Unsinn nicht. Ist Dashwood für das Gerede verantwortlich?“
Sie schüttelte den Kopf, und eine Träne lief ihr über die Wange. „Natürlich nicht.“
„Ich muss mit Ihnen über diesen Herrn sprechen.“
Sie rieb sich die Schläfen. „Ich kann nicht. Ich kann nicht mit Ihnen über ihn reden. Das ist zu schwer“, rief sie heftig.
Er trat zu ihr. „Blanche, haben Sie Kopfschmerzen? Ich möchte nicht unhöflich sein, aber Sie sehen nicht gut aus, und ich bin sehr besorgt.“
Sie schüttelte den Kopf. „Sie müssen gehen.“ Mit zitternden Händen griff sie nach einer Teetasse.
Er erschrak, als er eine Flasche Brandy auf dem Schreibtisch stehen sah, mit einem Teelöffel daneben. „Was ist das?“
„Der Brandy hilft!“, rief sie und nippte an
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