Die Lady auf den Klippen
lassen.
Er fühlte einen Stich im Herzen, ein Zeichen dafür, dass er noch immer weitaus mehr für sie empfand, als ihm lieb war. Ein weiterer Diener öffnete die Tür und geleitete ihn in den Empfangsraum. Vergoldete Stühle standen an den Wänden, an denen Ölgemälde hingen, in der Mitte des Raumes stand ein Tisch mit einem Blumenstrauß.
Als er leichte Schritte hörte, schlug sein Herz noch schneller. Dann sah er überrascht, wie Lady Waverly hereinkam. Ihre Miene wirkte angespannt, und sie lächelte nicht.
Er verneigte sich. „Lady Waverly.“
„Sir Rex, so eine Überraschung“, sagte sie spöttisch.
Er sah sie an. War sie zornig? Und wenn ja – warum? Was hatte Blanche ihr über ihn erzählt? „Ich weiß, es ist noch früh. Aber ich habe etwas Dringendes mit Blanche zu besprechen.“
„Es ist zehn Uhr morgens“, sagte Lady Waverly kühl.
Rex spürte, dass eine Konfrontation unvermeidlich sein würde. „Ich weiß, wie spät es ist. Noch einmal: Ich habe etwas Dringendes mit Lady Blanche zu besprechen.“
Bess sah ihn an, ihr Gesicht drückte unverhohlenen Ärger aus. „Sie empfängt heute nicht. Sie empfängt donnerstags. Also sollten Sie dann wiederkommen.“
Zorn stieg in ihm auf, aber er verbiss sich eine grobe Antwort. „Bitte sagen Sie ihr, dass ich hier bin. Wir sind Freunde, und sie wird mich empfangen.“
Lady Waverly stemmte die Hände in die Hüften. „Ehrlich gesagt, sie will Sie nicht sehen. Das hat sie vor zwei Monaten unmissverständlich zum Ausdruck gebracht.“
Das konnte nicht stimmen, trotzdem trafen ihre Worte ihn mitten ins Herz. „Wir haben uns gut verstanden, als sie Land’s End verließ. Es würde mich wundern, wenn sich das geändert hat.“ Genau genommen hat nur Blanche sich beim Abschied gut benommen, dachte er bei sich.
Lady Waverly war so außer sich, dass sie zu seiner Überraschung zitterte. „Es hat sich geändert. Alles hat sich geändert! Und nun gehen Sie!“
Er bewegte sich nicht von der Stelle. „Sie wird heute ihren Ehevertrag unterzeichnen“, sagte er, darum bemüht, seinen Zorn nicht zu zeigen. „Es ist dringend erforderlich, dass wir vorher miteinander reden.“
Lady Waverly verlor jede Zurückhaltung. „Ich werde nicht erlauben, dass Sie sie sehen. Blanche braucht Sie jetzt nicht hier. Sie werden nur Schwierigkeiten machen. Guten Tag, Sir Rex!“
Verblüfft sah er sie an.
„Lassen Sie Blanche in Ruhe.“ Damit machte Lady Waverly kehrt und ging hinaus.
Perplex starrte Rex ihr hinterher. Was, zur Hölle, geht hier vor? fragte er sich. Und er hatte nicht vor zu gehen. Forschend sah er sich in dem Zimmer um. Die Tür, durch die er hereingekommen war, stand noch offen, und er konnte die Eingangstür sehen. Und auch den Diener, der dort wartete und so tat, als hätte er kein Wort gehört, das hier gesprochen wurde, und als würde er nicht wissen, dass Sir Rex hier stand.
Rex nahm seine Krücke und ging in die Richtung, in die Lady Waverly verschwunden war. Er durchquerte zwei schöne Salons und hörte nichts außer seinen eigenen Schritten. Er kannte sich in diesem Haus nicht aus, aber wenn Lady Waverly hier war, musste zweifellos auch Blanche anwesend sein.
Als er durch einen Korridor hinkte, ging vor ihm eine Tür auf. Rex blieb stehen und versuchte nicht einmal, sich zu verstecken, weil er hoffte, einen Blick auf Blanche zu erhaschen. Doch heraus kam ein Mann, der wie ein Landarbeiter gekleidet war. Dabei konnte Rex sein Profil sehen, ehe er sich abwandte und durch eine Flügeltür verschwand.
Überrascht sah Rex dem Mann nach. Es war Paul Carter, Annes Verlobter. Was machte der Schmied hier in der Stadt – in Harrington Hall? In diesem Augenblick fiel ihm ein, wie böse Anne sich gegen Blanche benommen hatte. Ein schrecklicher Verdacht stieg in ihm auf. Carters Besuch konnte nichts Gutes verheißen.
Laut klopfte Rex an die Tür, die Carter nur angelehnt hatte. Er drückte sie auf, und sein Blick fiel in die große Bibliothek, die blassgrün gestrichen war, mit verschiedenen Sitzgelegenheiten. Und er sah Blanche, die an einem kleinen Schreibtisch in der Ecke saß, die Hände vor sich gefaltet, den Blick gesenkt wie ein Schulmädchen.
Sein Herzschlag stockte zuerst und wurde dann schneller. Er vergaß, dass sie mit seinem Herzen gespielt und ihre Verlobung gelöst hatte. Er vergaß, dass er sie verachten sollte – oder zumindest aufhören
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