Die Lady auf den Klippen
schlagende Rhythmus wurde schneller. Und Blanche glaubte, die Stimme eines Mannes zu hören. Aber es waren keine Worte. Vielleicht ein Schmerzenslaut?
Beunruhigt trat sie näher. Aber gerade als sie bei der Tür war, hörte sie die Männerstimme wieder. Und sie erkannte, was es war.
Es war ein Stöhnen der Lust.
Blanche regte sich nicht.
Die Stöße kamen öfter, schnell und heftig.
Oh weh, dachte sie. Denn jetzt hatte sie verstanden, dass sich dort in dem Raum zwei Menschen liebten.
Blanche war auf zahllosen Bällen gewesen und bei noch mehr Wochenenden auf dem Land. Sie war sich der Schäferstündchen im ton durchaus bewusst, jener, die hinter verschlossenen Türen stattfanden, und jener in Gängen und hinter Hecken. Zahllose Male war sie an Pärchen vorübergekommen, die sich in den Armen lagen, und hatte so getan, als würde sie sie nicht sehen. Aber mehr als einen leidenschaftlichen Kuss hatte sie nie miterlebt.
Wer immer dort in dem Turmzimmer sein mochte, tat weitaus mehr, als seine Partnerin nur zu küssen. Ihr Herz schlug schneller. Sie musste gehen – und zwar sofort.
Und bestimmt war es doch nicht Sir Rex dort in dem Turmzimmer?
Sie presste die Hände gegen die Wangen und spürte, wie sie rot wurde. Wer sollte es sonst sein?
Er bevorzugt Hausmädchen. Er steht in dem Ruf, geschickt und ausdauernd zu sein.
Sie wusste, dass sie auf der Stelle gehen musste. Dies war eine sehr private Angelegenheit. Doch ihre Füße wollten sich nicht bewegen. Das rhythmische Klopfen wurde jetzt immer schneller. Vor ihrem inneren Auge erschienen vage Bilder von Liebespaaren, ineinander verschlungen.
Blanche bemerkte, dass sie in unmittelbarer Nähe der Tür stand und dem Paar lauschte. Sie war schockiert. War Sir Rex dort drinnen? War er wirklich ein so guter Liebhaber? Sie sah sein Bild vor sich, schattenhaft, nackt. Er hielt eine Frau in den Armen.
Und dann schluchzte diese Frau vor Lust.
Blanche erstarrte. Ihr Herz begann so schnell zu schlagen wie nie zuvor in ihrem Leben. Sie geriet in Panik. Eigentlich wollte sie kehrtmachen und gehen, doch stattdessen stolperte sie gegen die Tür – und diese Tür ging auf.
Stumm und wie erstarrt stand Blanche da. Sir Rex bewegte sich heftig auf einer dunkelhaarigen Frau, die auf dem Sofa lag, und sie erhaschte einen Blick auf seine vor Schweiß schimmernden Schultern, seinen Rücken, sein strenges Profil und ein Gewirr von Röcken. Tief holte sie Luft. Er trug nichts als seine Hose und hatte den Körperbau eines mittelalterlichen Ritters – breite Schultern, muskulöse Arme, feste, starke Schenkel, die sich unter dem Stoff der Hose abzeichneten. Von seinem rechten Bein war der Unterschenkel während des Krieges amputiert worden, doch mit dem linken Bein stand er auf dem Boden, sodass sie nicht sehen konnte, was sie nicht sehen sollte.
Und doch konnte sie sich nicht abwenden. Während ihr Herz wie wild in ihrer Brust flatterte, stand sie nur da und starrte. Er sah aus wie ein schwarzer Engel – sein fast schwarzes Haar war feucht, die dichten schwarzen Wimpern lagen auf den unglaublich hohen Wangenknochen, die Flügel seiner geraden, nicht ganz perfekten Nase bebten. Er ist schön.
Und sie wollte gehen. Dies hier war schockierend – sie hatte schon zu viel gesehen. Sie befahl ihren Füßen, sich zu bewegen, sie fortzutragen. Doch nie zuvor hatte sie einen solchen Gesichtsausdruck gesehen. Sir Rex bewegte sich jetzt wild und heftig, und trotz all ihrer Naivität begriff sie. Er stöhnte tief.
Sie stöhnte ebenfalls.
Und dann wusste sie, dass er sie gehört hatte. Ganz plötzlich drehte er sich zu ihr um.
Sie sah seine dunklen, fast glasigen Augen.
Blanche war sich im Klaren, dass sie den schlimmstmöglichen Fauxpas begangen hatte. „Es tut mir leid!“, rief sie, jetzt vollkommen panisch.
Rückwärts ging sie hinaus, gerade als er ihr in die Augen sah und ihre Blicke sich begegneten.
Grenzenlos überrascht sah er sie an.
Sie machte kehrt und lief davon.
Kapitel 3
Rex saß auf dem Sofa, völlig verblüfft. Lady Blanche Harrington, eine Frau, die er wie keine andere bewunderte, hatte ihn mit Anne ertappt!
Er atmete schwer und wünschte, dass dies nur ein schrecklicher Albtraum war. Wenn er erwachte, würde er sicherlich erkennen, dass Blanche Harrington ihn nicht soeben mit seiner Geliebten erwischt hatte.
Anne flüsterte: „Wer war das,
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