Die Lady auf den Klippen
auf, und ihr Lächeln verschwand.
Er rührte sich nicht, sah nur in ihre großen Augen, in denen sich so viele verwirrte Gefühle spiegelten, die er nicht enträtseln konnte. Blanche Harrington hatte immer wie ein Engel ausgesehen – mit offenem Lächeln, freundlich und sehr ernst, voller Anmut. Plötzlich sah er eine Frau, die er nicht kannte. Sie war eine elegante Frau von Charakter, und zweifellos hatte er sie mit seiner Zurschaustellung unverhüllter Lust zutiefst erschreckt. Andere Frauen mochten so einen Anblick vielleicht genießen, doch sie gewiss nicht.
„Ich muss mich entschuldigen, wenn ich Sie beleidigt habe“, brachte er mühsam heraus. Er hasste sich in diesem Moment.
„Sie haben mich nicht beleidigt.“ Ihre Stimme klang entschieden, doch er hörte ein leichtes Zittern heraus. „Es ist ein schöner Nachmittag, und ich hätte direkt nach Penthwaite fahren und Ihnen meine Karte schicken sollen, um Sie über meine Absicht in Kenntnis zu setzen. Ich muss mich für das Ungemach, das ich Ihnen bereitet habe, entschuldigen, Sir Rex. Aber wir waren vollkommen durchgefroren, und als niemand an die Tür kam, hofften wir, uns in Ihrer Halle aufwärmen zu können.“ Sie holte Atem. „Ihr Haus ist reizend, Sir. Ganz reizend.“
Er konnte es nicht ertragen, sie so peinlich berührt zu sehen. Und schlimmer noch – jetzt entschuldigte sie sich bei ihm. „Sie könnten mir niemals Ungemach bereiten“, erklärte er ebenso entschieden. „Sie müssen sich nicht entschuldigen. Natürlich sollten Sie hereinkommen und sich ans Feuer setzen.“ Seine Gedanken überschlugen sich. Sollte er mitspielen und so tun, als hätte er nicht gesehen, dass sie Anne und ihn ertappt hatte? Das wäre für uns beide am einfachsten, dachte er finster. Sie könnten dann beiläufig miteinander plaudern, die Art von nichtssagendem Geschwätz, die er so sehr verachtete, bis sie wieder ihrer Wege ging.
Sein Herz schmerzte noch mehr. Sie hatten in ebenso vielen Jahren nicht mehr als fünf oder sechs Mal miteinander gesprochen, und jetzt stand sie hier auf seinem Anwesen in Cornwall. Verzweiflung erfasste ihn. Er hatte nie gewollt, dass sie ihn so sah, wie er wirklich war, und er wollte Absolution, obwohl er wusste, dass er die niemals bekommen würde. Aber ein edler Teil seiner selbst wollte nicht zulassen, dass sie fortging, ehe sie wusste, wie sehr er sein unmoralisches Verhalten bedauerte.
Tief holte er Luft. „Bitte, Lady Harrington, nehmen Sie meine aufrichtige Entschuldigung an …“
Sie unterbrach ihn, was unerhört war. „Es war mein Fehler, unangekündigt hier aufzutauchen“, flüsterte sie.
Er spürte, wie er rot wurde, und sagte ungläubig: „Bitte nehmen Sie meine Entschuldigung dafür an, dass ich Ihre Kutsche im Hof nicht bemerkt und Sie nicht begrüßt habe, wie es sich gehört. Und dass ich keinen Dienstboten zu Ihnen schickte.“
Ihr Lächeln verschwand, und sie starrte ihn an. Er erwiderte ihren Blick. Obwohl indirekt, hatte er ihr sein tiefstes Bedauern ausgedrückt, ohne es offen auszusprechen – was er nie tun würde. Verzweifelt wartete er auf ihre Antwort.
Sie lächelte. „Wenn Sie sich dafür entschuldigen wollen, dass Sie meine Kutsche nicht bemerkt haben, dann muss ich diese Entschuldigung akzeptieren. Doch ich sehe, dass Sie nicht auf Gesellschaft eingerichtet sind. Es … es stört mich nicht, dass kein Dienstbote uns hereingeleitet hat. Ich bin so sehr an den ton gewöhnt, oder an meine Bekannten. Wir besuchen uns einfach so, ohne eine Karte, weil wir uns als Freunde sehr nahestehen.“ Sie lachte, und er bemerkte, wie gezwungen es klang. „Ich habe einfach vergessen, dass die Gepflogenheiten auf dem Land so anders sind.“
Er war nicht sicher, wie sehr sie ihn verachtete – und er konnte nur erleichtert sein, dass sie sich jetzt so untadelig benahm. Sie verhielt sich sehr großzügig, aber schließlich war sie nun einmal eine Dame. Sie würde ihn nicht verächtlich oder von oben herab ansehen. Und sie würde zweifellos auch nicht zu Hause darüber klatschen.
„Es ist so kalt in Cornwall!“ Ihre Worte schreckten ihn auf. Und dann erschauerte sie und lächelte dabei. „Wir werden uns auf den Weg machen. Clarence muss aber dem Gespann etwas zu trinken geben, wenn es Ihnen nichts ausmacht.“
Er holte tief Luft, erleichtert, dass das schreckliche Thema abgehakt war. „Natürlich können Sie die Pferde tränken“, sagte
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