Die Lady auf den Klippen
sie seine Hände. Sie waren braun gebrannt, groß und kräftig, die Finger lang und sehnig. Und doch bewegte er sie mit außerordentlicher Anmut – so wie er sich selbst bewegte, trotz der Krücke, die er benutzte. Während er Messer und Gabel hielt, dachte sie daran, wie er mit seinen Händen Anne berührt hatte.
Ihr Herz schlug schneller, und sie empfand beinahe so etwas wie Schmerz. Etwas stimmte nicht mit ihr, ohne dass sie es benennen konnte.
Langsam sagte er: „Ich habe über Penthwaite nachgedacht.“
Blanche schluckte, froh darüber, endlich ein anständiges Thema gefunden zu haben. Sie löste den Blick von seinen starken Händen und sah hoch. Sein aufmerksamer Blick schien sie zu durchdringen, doch sie lächelte entschlossen.
„Was werden Sie tun, wenn sich Penthwaite tatsächlich in dem Zustand befindet, in dem ich es vermute?“
„Ich hoffe, dass Sie sich täuschen. Aber wenn Sie recht haben sollten, werde ich einige Reparaturen durchführen.“ Ihr fiel auf, dass er nichts gegessen, dafür aber den größten Teil des Weins getrunken hatte. Sie selbst hatte nur einmal an ihrem Glas genippt.
Die Klatschbasen sagten auch, dass er zu viel trank, manchmal schon am Vormittag. Ihr war das immer als ein ungerechtfertigter Vorwurf erschienen, und sie hatte vermutet, dass es nicht stimmte. Er war zu fleißig, um ohne Kontrolle und Disziplin zu trinken.
„Würden Sie mir gestatten, Sie morgen früh zu begleiten, Lady Harrington?“
Sie sahen einander in die Augen, und in Blanches Blick lag Überraschung. Sie konnte sich nicht vorstellen, zusammen mit ihm in einer Kutsche zu fahren. Ehe sie etwas entgegnen konnte, fügte er hinzu: „Ich bin etwas in Sorge wegen des Zustandes, in dem sich das Haus befinden könnte. Ich habe das sichere Gefühl, dass Sie meine Hilfe brauchen werden – immer vorausgesetzt, dass es nicht eine Verwechslung bei den Urkunden gegeben hat.“
Seine Bitte war als vollkommen anständig zu bewerten – und sie benötigte vielleicht wirklich seine Hilfe. Aber würde sie einen ganzen Tag mit ihm allein überstehen, wenn es ihr kaum gelang, ein einfaches Abendessen auszuhalten? Es wäre hilfreich, wenn er sie nicht so aufmerksam beobachten würde. Es wäre hilfreich, wenn sie aufhören könnte, ihn mit dem Hausmädchen vor sich zu sehen. Unglücklicherweise würde diese Szene für sehr lange Zeit in ihrem Gedächtnis haften bleiben. Und in ihrer Kutsche würden sie viel zu nahe beieinandersitzen, sodass die Erinnerung daran schwer zu vermeiden wäre. Außerdem war sie sich in seiner Gegenwart viel zu sehr seiner Männlichkeit bewusst. Es wäre sehr viel besser, ihm aus dem Weg zu gehen, zumindest, bis sie das Gefühl hatte, sich besser kontrollieren zu können.
Sie warf einen Blick auf seine starken Hände und zwang sich, nicht an den Nachmittag zu denken. „Ich würde Sie ungern von Ihren Aufgaben abhalten“, brachte sie endlich heraus. „Gewiss haben Sie sich hier um vieles zu kümmern.“
„Sie halten mich nicht ab“, entgegnete er. „Meine eigenen Angelegenheiten können warten. Ich bin sehr in Sorge, und als Freund der Familie meine ich, Sie begleiten zu müssen.“
Sie fühlte sich angespannt, und er war hartnäckig. „Penthwaite ist vielleicht in hervorragendem Zustand. Ich vermute, dass alles in Ordnung ist und ich dorthin umziehe.“
Sein Blick veränderte sich nicht.
„Natürlich können Sie mich begleiten.“ Sie holte tief Luft. Ihn beleidigen war das Letzte, was sie wollte, und es gab keine höfliche Möglichkeit der Ablehnung.
Er nickte, und sie bemerkte das Spiel seiner Kiefermuskeln.
Ein Diener, den sie bis dahin noch nicht gesehen hatte, trug ihre Teller ab. Sie nutzte die Gelegenheit, indem sie versuchte, ihre ruhige Gelassenheit zurückzuerlangen. Aber sie war überzeugt, dass sie einen Arzt aufsuchen musste, sobald sie wieder in der Stadt war, denn offensichtlich stimmte mit ihrem Herzen etwas nicht. Es schlug viel zu schnell.
Der Nachtisch wurde serviert. Blanche wusste, sie würde keinen Bissen herunterbringen.
Auch Sir Rex schob seinen Teller beiseite. „Haben sich viele um Ihre Hand beworben?“, wollte er wissen.
Einen Moment lang war sie von seiner Frage überrascht. „Es sind zweihundertachtundzwanzig.“
Er sah sie so verblüfft an, dass es komisch wirkte. „Sie scherzen.“
„Unglücklicherweise nicht.“ Sie lächelte. „Eine schockierende
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