Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lady auf den Klippen

Die Lady auf den Klippen

Titel: Die Lady auf den Klippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Joyce
Vom Netzwerk:
den Kopf angeschlagen. Oder nicht?
      Blanche kniff die Augen zusammen. Sie hatte es gewagt, Sir Rex von den Aufständen und ihrer Furcht vor Menschenmengen zu erzählen, aber nie würde sie ihm die ganze Wahrheit sagen. Sie würde ihn niemals wissen lassen, dass sie ein seltsames, mangelhaftes Wesen hatte, und dass sie bis vor Kurzem ein völlig emotionsloses Leben geführt hatte. Und sie wollte auch nicht, dass der Arzt dergleichen Dinge erfuhr, die allein ihre Angelegenheit waren.
      Aber sie hatte Angst. Sie hatte Angst, dass diese gewalttätigen Bilder zurückkehrten. Und sie fürchtete sich vor dem, was sie vielleicht bedeuteten. Sie hatte Angst vor dem Schmerz in ihrem Kopf. Und wenn diese Ungeheuer keine Erinnerungen waren – was waren sie dann? Sollten es doch Erinnerungen sein, warum kehrten sie gerade jetzt zurück?
      Zögernd lächelte Blanche den Arzt an. Sie würde ihm so viel erzählen, wie sie konnte, und hoffen, dass es für ihren Kopfschmerz eine medizinische Erklärung gab.
      „Sir Rex und ich sind ausgeritten“, sagte sie und war sich dabei bewusst, dass ihr Gastgeber sie pausenlos beobachtete. „Es war ein angenehmer Ritt. Ich war eine halbe Stunde zuvor zurückgekehrt und plauderte mit meiner Zofe, als ich plötzlich einen heftigen Schmerz in meinem Kopf verspürte. Es war, als stieße jemand ein Messer hinein. Und dann lag ich am Boden, weil ich den Schmerz nicht aushalten konnte. Ich sah Meg und Sir Rex, und schließlich wurde es schwarz um mich herum.“
      „Hatten Sie schon einmal so einen Kopfschmerz?“
      Sie richtete sich auf. „Ich habe gelegentlich Kopfschmerzen, aber selten. Das waren keine Kopfschmerzen. Dies war weitaus heftiger.“
      „Also hatten Sie noch nie so heftige Schmerzen?“
      „Niemals“, sagte Blanche nachdrücklich und sah dabei Sir Rex an. Er wirkte besorgt und unglücklich. Sie sahen einander in die Augen. Sie wusste, dass er an das dachte, was sie gesagt hatte, und an die Leidenschaft, die sie geteilt hatten – und plötzlich fragte sie sich, ob er ihr diesen Anfall wohl vorwarf.
      „Und wie steht es sonst um Ihre Gesundheit?“
      „Ich bin selten krank. Um meine Gesundheit ist es ausgezeichnet bestellt“, entgegnete Blanche.
      „Sie isst nur selten“, mischte Rex sich ein. „Sie nimmt nur eine Toastscheibe zum Frühstück. Und wir sind vor dem Essen ausgeritten.“
      Blanche sah ihn an. „Das ist nicht Ihre Schuld.“
      Er erwiderte ihren Blick und machte sich offensichtlich Vorwürfe.
      „Vielleicht sind Sie in Ohnmacht gefallen, weil Sie zu wenig gegessen haben“, sagte Doktor Linney freundlich. „Sie sind eine schlanke Frau, Lady Harrington. Sie müssen nicht hungern.“
      „Ich hatte nie viel Appetit“, verteidigte sich Blanche. „Ich halte keine Diät, so wie es meine Freundinnen tun. Das war nie nötig.“
      „Ihr Vater ist vor sechs Monaten gestorben“, erklärte Rex. „Ich kenne Lady Harrington seit Jahren. Er war ihre ganze Familie – sie standen einander sehr nahe. Seither wird sie von Verehrern verfolgt, denn sie besitzt ein großes Vermögen. Nach Land’s End kam sie, um etwas Ruhe zu finden.“ Er verzog das Gesicht. „Aber ich fürchte, in meinem Haushalt ging es nicht sehr friedlich zu.“
      „Meinen Sie, die Last der letzten Monate hat sich endlich bemerkbar gemacht?“
      „Es ist nur eine Möglichkeit, aber ich bin kein Arzt“, erwiderte Rex.
      „Möchten Sie sonst noch etwas hinzufügen?“, fragte der Arzt an Blanche gewandt.
      Sie zögerte. Hatte Sir Rex recht? Sie war über den Tod ihres Vaters einfach so hinweggegangen, ohne auch nur eine Träne deswegen zu vergießen. Gern hätte sie getrauert, doch sie war dazu nicht in der Lage gewesen. Hatte sein Tod sie doch schwerer belastet, weil sie sich nun verpflichtet fühlte zu heiraten? Zweihundertachtundzwanzig Verehrer waren zweifellos eine Last, und sie sorgte sich um ihre Zukunft. Ihr ganzes Leben hatte sie leidenschaftslos verbracht – bis jetzt. Plötzlich befand sie sich in einem Wirbelsturm der Leidenschaft. Aber konnte sie es wagen, zu gestehen, welche Verwirrung jetzt in ihrem Leben herrschte? Lag hier der Grund, warum sie in Ohnmacht gefallen war?
      Und war ihre Überlegung, ob sie Sir Rex als Ehemann wählen sollte, ein Teil dieser Last?
      „Lady Harrington?“
      Sie mied seinen Blick, und als sie auf ihre gefalteten Hände starrte, fühlte sie Sir Rex’ plötzliche Aufmerksamkeit,

Weitere Kostenlose Bücher