Die Lady auf den Klippen
tun?“
„Ich habe viel Personal“, warf sie ein.
Eindringlich sah er sie an. „Ihr Vater ist gestorben, Sie sind umlagert von Schurken und Halunken, und dann kommen Sie hierher, und ich mache Ihnen auch noch Avancen. Es überrascht mich ehrlich gesagt nicht, dass Sie in Ohnmacht gefallen sind. Ich bin der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringen könnte, denn noch mehr Druck können Sie nicht ertragen.“
Blanche spürte, wie es in ihren Schläfen zu pochen begann, doch dies waren ganz normale Kopfschmerzen, nicht der brutale Schmerz, den sie vorhin empfunden hatte. Sie stand unter großer Anspannung, aber nicht aus den Gründen, die er genannt hatte. Vielmehr waren all die Gefühle dafür verantwortlich, an die sie nicht gewöhnt war. Es war der Druck, eine Entscheidung zu treffen, die ihr ganzes Leben verändern würde – wenn er sie nicht abwies.
„Anne bereitet ein Essen vor.“ Er wandte sich zum Gehen. Dann machte er plötzlich kehrt. „Sie kümmerten sich um mich, als ich verletzt war, und jetzt bin ich an der Reihe. Weisen Sie mich nicht ab! Sie werden ein paar Tage ausruhen, und wir vergessen diesen Nachmittag.“
Erschrocken sah sie ihn an. Sie wollte nicht vergessen. „Sir Rex, das ist nicht Ihr Fehler“, widersprach sie. „Ich bin nicht so fragil, dass ich zerbreche, wenn man mich falsch ansieht.“
Sein Blick wirkte finster. „Ich spüre etwas in Ihnen, das ich noch nie gespürt habe. Ich habe immer gefühlt, dass Sie verletzlich sind – sogar in jener Nacht. Aber da ist mehr. Ich spüre, dass Sie hinter dieser Fassade aus Anmut und Perfektion sehr zerbrechlich sind. Habe ich recht?“
Sie vermochte nicht zu sprechen. Denn sie wusste, dass er recht hatte. Wenn man ihr die Fassade raubte, würde sie zerbrechen, obwohl sie Sir Rex gegenüber das Gegenteil behauptet hatte. Die Monster hielten sie in ihren Klauen.
„Das dachte ich mir“, sagte er schroff und ging hinaus.
Am liebsten hätte Blanche geweint. Diesmal war die Fähigkeit zu weinen ein Fluch. Sie wollte das nicht! Es tat weh! Ungestüm warf sie die Kaschmirdecke auf den Boden und hätte am liebsten ein Glas zerschmettert.
Die Monster lachten höhnisch.
Blanche erstarrte vor Entsetzen. Sie sah das Bild lebhaft und deutlich vor sich. Der stechende Schmerz setzte wieder ein. „Sir Rex!“ Sie schrie.
Rex hörte ihren durchdringenden Schrei und fuhr herum, wobei er ins Taumeln geriet. Er prallte gegen die Wand, fand jedoch sein Gleichgewicht wieder und stieß die Tür auf. Dann stürzte er in das Zimmer.
Sie hielt den Kopf mit beiden Händen, das Gesicht fast auf den Knien. Er setzte sich neben sie, doch sie sagte: „Nicht!“ An ihrer Stimme erkannte er, dass sie völlig außer sich war.
Sanft legte er die Hand auf ihre Schulter und musste sich sehr zusammennehmen, um sie nicht in seine Arme zu ziehen. Sie atmete schwer, zitterte und sah auf. Tränen liefen ihr über das Gesicht.
„Hatten Sie wieder diesen Kopfschmerz?“
Sie nickte und zögerte, als fürchtete sie, der Schmerz würde wiederkommen, wenn sie sprach. „Er ist weg.“
Rex nickte ebenfalls, und das Herz schlug heftig in seiner Brust. Er wusste nicht, was er denken sollte, und verdammt, entsetzliche Szenarien gingen ihm durch den Kopf. Er kannte jemanden, der heftige Kopfschmerzen gehabt hatte, und dann war er dünner und dünner geworden und schließlich gestorben. „Es dauerte nur einen Moment?“
Seufzend nickte sie, ehe sie endlich lächelte. Dieses Lächeln war so schwach, dass er am liebsten geweint hätte. „Es geht mir gut.“
Er sagte nichts dazu, aber es war offensichtlich, dass es ihr nicht gut ging. Ihr Schrei war durchdringend gewesen – wieder einmal. Mit seiner Bemerkung, dass sie hinter ihrem Äußeren sehr viel Verletzlichkeit verbarg, hatte er die Wahrheit getroffen. Während er Blanche anstarrte, wünschte er, den Grund für diese Zerbrechlichkeit herausfinden zu können. Zu gern hätte er gewusst, was sie so verletzlich machte, und damit meinte er nicht ihre Unerfahrenheit.
„Warum nehmen Sie nicht eine Dosis Laudanum, wenn Sie etwas gegessen haben?“ Er bemühte sich um einen zurückhaltenden Ton.
Sie lächelte wieder. „Ich denke, das ist eine gute Idee.“
Blanche wusste, dass er Angst hatte, sie allein zu lassen. Sie sahen einander in die Augen.
„Es ist eine Migräne“, sagte sie dann leise. „Ich bin mir
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