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Die Lady in Weiß

Titel: Die Lady in Weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miranda Jarrett
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kleinen Tisch neben ih-rem Stuhl und riss die Schublade so heftig auf, dass die Vase mit den Blumen, die auf dem Tisch stand, umkippte. Eilig durchwühlte sie die Papiere, bis sie fand, was sie suchte. Mit zitternden Fingern hielt sie das Blatt hoch und las dann laut vor, was darauf stand.
    „Kerr, David, Seemann. Erster Maat, Überlebender der Brigg Chanticleer, Providence, Rhode Island, Vereinigte Staaten von Amerika. Von mittlerer Größe, siebenunddreißig Jahre alt, braunes Haar, trägt Ringe in beiden Ohren. Besondere Kennzeichen: ein verkrümmter linker Arm, der vor langer Zeit gebrochen und nicht richtig zusammengewachsen ist, eine sternenförmige Brandnarbe auf der rechten Schulter ... “
    „Zeigen Sie es mir! “ Jeremiah wollte ihr das Papier entreißen, aber sie wich ihm aus.
    „Sie glauben mir nicht, oder?“, fragte sie atemlos. „Sie vertrauen mir nicht, weil ich nur eine dumme, unwissende Frau bin, weil ich mich denen, die ich liebe, unmöglich genauso verpflichtet fühlen kann wie ein Mann! “
    Seine grünen Augen funkelten wild, als er einen Stuhl beiseitestieß, um sie zu erreichen. „Was, zum Teufel, haben Sie da? Gott helfe Ihnen, wenn Sie lügen! “
    „Die Kuriere des Paschas von Tripolis lügen nicht, Captain Sparhawk, nicht wenn es darum geht, Lösegeld für Gefangene zu bekommen! “, rief sie. Sie raffte ihre Röcke hoch, als sie versuchte, vor ihm zu fliehen. „Diese Nachricht ist aus Neapel, geschrieben von König Ferdinands persönlichem Sekretär, aber ich werde nicht weiterlesen, wenn Sie nicht... “
    Sie hatte das Klopfen an der Tür nicht gehört und fuhr erschrocken herum, als Weldon das Zimmer betrat. Der prüfende Blick des Butlers ließ sie und Jeremiah erstarren. Beide standen sie keuchend und mit geröteten Gesichtern in dem unordentlichen Zimmer, und das einzige Geräusch kam von dem Wasser, das aus der zerbrochenen Vase auf den Teppich tropfte.
    Weldons Miene blieb ausdruckslos, als er betont kühl fragte: „Brauchen Mylady Hilfe?“
    Caro legte die Hand auf ihre Stirn. „Nein, Weldon, ich brauche keine Hilfe. Und ich schätze es auch nicht, wenn Sie hier hereinkommen, ohne anzuklopfen.“
    „Ich bitte um Verzeihung, Mylady, aber ich habe geklopft. Ich wusste nicht, dass Sie beschäftigt sind.“ Er warf Jeremiah einen scharfen Blick zu. „Mr Stanhope ist gekommen und möchte Sie sofort sprechen. “
    „Zum Teufel mit Mr Stanhope! Sagen Sie ihm, dass ich ihn nicht zu sehen wünsche. Sagen Sie, dass ich nicht zu Hause bin, oder noch besser, sagen Sie ihm, er soll zur Hölle fahren!“
    Weldon nickte. „Sehr wohl, Mylady.“
    „Oh, Weldon, hören Sie auf, alles so wörtlich zu nehmen! Natürlich komme ich, und ich werde auch mit ihm reden, aber nur an der Tür. Ich will diesen Mann nicht in meinem Haus haben. Er tut so, als gehörte es schon ihm.“
    „Nein, Madam, das werden Sie nicht tun“, befahl Jeremiah. „Ich werde nicht zulassen, dass Sie davonlaufen, ehe wir diese Angelegenheit geklärt haben! “
    „Ich laufe nicht davon, Captain, da können Sie sicher sein. Nicht, bevor Sie Ihren Standpunkt noch einmal überdacht haben.“ Sie warf ihm einen langen Blick zu. Dann faltete sie das Papier, aus dem sie eben vorgelesen hatte, zusammen und schob es vorn in ihr Kleid. „Sie warten hier. Ich werde sofort wieder da sein.“
    Die Tür schloss sich hinter Caro und dem Butler, und Jeremiah versuchte, seiner Enttäuschung Herr zu werden. Doch es gelang ihm nicht. Zum Teufel mit dieser Frau! Entweder hatte sie wirklich Neuigkeiten von David, oder sie war die überzeugendste Lügnerin, der er je begegnet war. Er dachte daran, wie sie mit ihm gespielt und ihn geneckt hatte, mit Küssen, vorgetäuschten Überfällen und nackten Statuen, und dabei hütete sie bei sich zu Hause ein Geheimnis, für das er bereit wäre zu töten. David lebte noch, war dem Unheil entronnen. Lieber Himmel, konnte das wirklich sein?
    Mit einem Fluch riss er die Schublade heraus, aus der sie das Papier genommen hatte, und schüttete den Inhalt auf das Sofa. Schneiderrechnungen, halbfertige Briefe, Noten zu einem Liebeslied. Er sah alles durch und fand nichts aus Neapel.
    Verdammt, verdammt sei die Frau! Jeremiah sank in einen Sessel und barg das Gesicht in den Händen. Er und David Kerr hatten sich schon als Kinder gekannt, David gehörte zu den wenigen Männern, die er seine Freunde nannte. Sie waren gemeinsam zur See gefahren, hatten gemeinsam Bordelle besucht, gemeinsam gekämpft. Er

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