Die Lady in Weiß
war Trauzeuge gewesen, als David Sarah Wright geheiratet hatte, und der älteste Sohn war sein Patenkind. Natürlich hatte er die Absicht, alle Witwen und Waisen aufzusuchen, die seine Männer hinterlassen hatten, sobald er wieder in Providence war. Das war eine schwere, herzzerreißende Aufgabe für einen Kapitän, aber gerade Sarah diese Nachricht überbringen zu müssen würde noch weitaus schlimmer sein. Jetzt jedoch musste er das vielleicht gar nicht mehr tun. Aber was erwartete Caro als Gegenleistung von ihm, und was hatte das alles mit Hamil zu tun?
Die Uhr auf dem Kaminsims schlug dreimal. Jeremiah seufzte ungeduldig. Die Countess war nun schon fast eine Stunde fort, viel länger, als sie eigentlich beabsichtigt hatte. Er stand auf und trat ans Fenster. Mit zwei Fingern schob er die Vorhänge beiseite und sah hinunter auf die Auffahrt.
Direkt an der Treppe wartete eine Mietdroschke, und davor stand Caro mit einem Mann. Jeremiah war zwar zu weit entfernt, um sie hören zu können, doch es war offensichtlich, dass sie miteinander stritten. Caro gestikulierte heftig, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. Plötzlich drehte der Mann sich um und sprach mit dem Kutscher, und Jeremiah erkannte, dass es George war, der Mann von gestern Nacht, den er für einen aufdringlichen Liebhaber Caros hielt. So viel, dachte Jeremiah zynisch, über die Liebe und Treue zu ihrem Ehemann.
Jeremiah sah, wie Caro sich abwandte und hocherhobenen Hauptes die Treppe hinaufgehen wollte. Sie war noch nicht weit gekommen, als George ihr plötzlich einen Arm um den Hals legte und ihr ein Tuch auf den Mund presste. Sie wehrte sich heftig, während er sie zur Kutsche zerrte, doch ihre Bewegungen wurden schnell schwächer. Als George sie in die Kutsche hob, lag sie still und ruhig in seinen Armen.
Jeremiah wusste zwar, dass er zu spät kommen würde, aber dennoch eilte er durch das Zimmer, die Halle entlang und erreichte die Tür gerade noch rechtzeitig, um die Kutsche hinter den Bäumen auf der Straße verschwinden zu sehen.
„Lady Byfield bedauert, dass Sie Ihre Unterhaltung nicht fortsetzen konnte“, erklärte Weldon hinter ihm. „Sie ist unerwartet abgerufen worden. “
Jeremiah fuhr herum und starrte den Butler an. „Zum Teufel mit Ihrer Unverschämtheit! Wo haben Sie Ihre Augen? Sie wurde nicht abgerufen, sie wurde entführt! Der Mann da hat sie betäubt und in die Kutsche gezerrt!“
„Mr Stanhope ist der Neffe seiner Lordschaft und sein Erbe“, entgegnete Weldon mühsam beherrscht. „Ich kann beim besten Willen nicht glauben, dass er Mylady ernsthaft Schaden zufügen würde.“
„Dieser Bastard ist der Erbe des alten Earl?“ Wie gut sich jetzt alles zusammenfügte! Kein Wunder, dass George Stanhope ihr Geld wollte, und auch kein Wunder, dass sie sich weigerte, es ihm zu geben. Und was Männer anging, so dachte Jeremiah darüber hinaus erleichtert, schien Caro ja doch etwas wählerischer zu sein, als er geglaubt hatte. Dieser jämmerliche George war nicht ihr Liebhaber, und im Stillen entschuldigte er sich dafür, dass er ihre Loyalität gegenüber ihrem Ehemann bezweifelt hatte.
„Ja, Sir, das ist er. Und er ist kein Bastard, sondern der Sohn der Schwester Seiner Lordschaft, Lady Stanhope.“ Einen Augenblick lang war ein Schimmer von Verachtung in Weldons Augen zu sehen, und Jeremiah dachte daran, wie Caro als Tochter einer Prostituierten Countess geworden war. Ein Butler - ein englischer Butler - würde diesen Skandal bestimmt nie vergessen und niemals akzeptieren. „Mr Stanhope ist ein Gentleman. Es wird mir eine Ehre sein, ihm eines Tages dienen zu dürfen.“
„Wenn es nach mir ginge, läge dieser Tag noch in weiter Ferne.“ Jeremiah blickte in die Richtung, in der die Kutsche verschwunden war. Er hatte bereits einen Plan. Stanhope war zwar impulsiv, aber nicht besonders klug. Er würde Caro finden und sie befreien.
„Und noch eins, Weldon.“
„Ja, Sir?“
„Fahren Sie zur Hölle! “
4. Kapitel
Jeremiah fand Desiree im Garten. Sie saß allein im Schatten der Buchsbaumhecke, ein aufgeschlagenes Buch auf ihren Knien. Es wurde allmählich zu dunkel zum Lesen, und sie hatte ihren Kaschmirschal um die Schultern gelegt, um sich gegen die abendliche Kühle zu schützen. Jeremiah war zu sehr mit seinen eigenen Problemen beschäftigt, um sich darüber zu wundern, dass sie um diese Tageszeit allein hier draußen saß und nicht bei Jack und den Kindern im Haus war oder mit der Köchin das Abendessen
Weitere Kostenlose Bücher