Die Lady in Weiß
besprach. In seinem Eifer begann er, sofort zu erzählen, kaum dass er sie entdeckt hatte.
„Diese Frau, Desiree, diese Frau hat mir etwas ganz Erstaunliches erzählt! Sie behauptet, dass David Kerr noch am Leben sei, und ich bin schon beinahe so weit, ihr zu glauben.“
Desiree warf ihm einen missbilligenden Blick zu. „Wovon redest du, Jeremiah? Ich verstehe kein Wort. Welche Frau?“
„Caro Moncrief. Lady Byfield. Du weißt doch, die hübsche kleine Countess, die mir ihre Diamanten gab.“ Er setzte sich neben seine Schwester auf die Bank und streckte die Beine aus. „Ich habe zwar noch nicht ganz verstanden, wie sie dazu gekommen ist, aber sie besitzt eine Liste mit Namen von Leuten, die in Tripolis gefangengehalten werden. Der König von Neapel soll für diese Leute Lösegeld zahlen, und Davids Name steht auf der Liste.“
„Und das hast du ihr geglaubt ?“, fragte Desiree bestürzt. „Ich dachte, du hättest versprochen, ihr aus dem Weg zu gehen!“
„Ich habe dir nichts dergleichen versprochen.“ Sie reagierte erstaunlich gelassen, und das enttäuschte ihn. Gera-
de von Desiree hatte er mehr Verständnis erwartet. „Sie war eben dabei, mir alles zu erklären, da tauchte der jämmerliche kleine Bastard von gestern Abend - George Stanhope heißt er - an ihrer Tür auf und begann einen Streit. Und als sie nicht tun wollte, was er von ihr verlangte, packte er sie und fuhr mit ihr davon. Und was das Schlimmste ist, Desiree: Ihr eigener Butler gibt vor, von all dem nichts bemerkt zu haben.“
„Und du willst sie retten.“
„Ich kann doch nicht zulassen, dass sie einfach so entführt wird. Immerhin weiß sie etwas von David.“
„Oder behauptet es zumindest.“ Desiree ergriff die Hand ihres Bruders. „Hör zu, Jeremiah. Du darfst dich nicht in Lady Byfields Angelegenheiten hineinziehen lassen. Sie könnte diese ganze Sache mit David einfach erfunden haben, um dich in ihre Auseinandersetzungen mit George Stanhope zu verwickeln. Die ganze Grafschaft verfolgt diesen Streit mit großem Interesse. Das geht schon seit Jahren so und lässt sich bis zu Fredericks Mutter zurückverfolgen. “
„Aber Desiree ... “
„Nein, jetzt lass mich ausreden! Wahrscheinlich hat Jack ihr so viel über deine Vergangenheit erzählt, dass es ihr nicht schwerfiel, eine Geschichte für dich zu erfinden und dich so auf ihre Seite zu ziehen. Und sie kann sehr charmant sein. Sogar Jack ist immer wieder bereit, ihr alles zu verzeihen, dabei kennt er sie schon seit Jahren. “
„Das ist allein Jacks Sache, nicht meine. Ich bin nicht naiv, Desiree.“ Er entzog ihr seine Hand und verschränkte die Arme vor der Brust. „Diese Frau weiß zu viel über David. Das kann sie nicht alles erfunden haben.“
Desiree seufzte. „Hör zu, du großer Dummkopf. Selbst wenn es dir gelingt, sie von Stanhope zu befreien, und wenn sie beweisen kann, dass David lebt, was dann? Willst du nach Tripolis fahren und ihn befreien? Hast du vergessen, dass Amerika gegen die Türken Krieg führt? Wenn du diesmal wieder gefangengenommen wirst, werden sie dich ganz sicher töten.“
„Ach, und was soll ich Davids Frau sagen? Es tut mir leid, Sarah, aber ich kann nicht zu ihm fahren, ich könnte mir meine Beinkleider beschmutzen?“
„Und was sagst du mir, Jeremiah?“, fragte Desiree. „Nur wir zwei sind von unserer Familie noch am Leben, und ich will nicht, dass du dich umbringst, nur weil so ein hübsches kleines Ding dir zugezwinkert hat. Wenn ich daran denke, wie nahe du dem Tode warst, als sie dich hierherbrachten ... “ Ihre Stimme versagte, und er war überrascht. Mit einem solchen Gefühlsausbruch hatte er nicht gerechnet. „Ich will dich nicht auch noch verlieren, Jeremiah. Ich möchte, dass du Caro Moncrief und all diesen Unsinn vergisst und nach Hause fährst, so, wie du es geplant hattest.“
Sie schloss die Augen und presste die Hand auf den Mund, um ein lautes Schluchzen zu unterdrücken. Mit der anderen Hand strich sie über ihren Bauch, um ihr ungeborenes Kind zu beruhigen.
„Liebes, verzeih mir.“ In Jeremiah regte sich das schlechte Gewissen. Unbeholfen legte er den Arm um Desirees bebende Schultern. Sie barg ihr Gesicht an seiner Brust und schluchzte herzzerreißend. Er streichelte ihren Rücken und ließ sie weinen. Sie hatte recht. Nur sie beide allein waren von ihrer Familie noch übrig, und niemand sonst kannte das Leid, das sie miteinander geteilt hatten: Viel zu früh hatten sie ihre Eltern verloren und dann
Weitere Kostenlose Bücher