Die Lady in Weiß
Jeremiah am anderen Ende des Raumes, und mit einem finsteren Lächeln auf den schmalen Lippen bewegte er sich auf ihren Tisch zu. Ein Menschenschinder, dachte Caro, einer, der anderen gerne Schaden zufügt.
„Du da, brauchst dich nicht zu verstecken! “, sagte er grob. „Welches Schiff?“
Mit wachsender Angst beobachtete Caro Jeremiah, der sich jetzt erhob. Er schien ihr doppelt so groß zu sein wie der kleine Lieutenant, und trotz seiner einfachen Kleidung strahlte er mehr Autorität aus als die uniformierten Engländer zusammen.
Der Lieutenant erkannte das auch, und es gefiel ihm kei-neswegs. „Ich habe nach deinem Schiff gefragt, du unverschämter Hundsfott.“
„Ich bin kein Hundsfott, sondern ein Kapitän“, erwiderte Jeremiah sanft. Caro jedoch konnte er damit nicht täuschen. Sie dachte an die Pistolen und an das Messer unter seinem Mantel und hoffte, er würde schlau genug sein, jetzt nichts davon zu benutzen.
„Ein amerikanischer Kapitän“, fuhr Jeremiah fort, „und Schiffseigner seit fast zwanzig Jahren. Ich hatte schon ein eigenes Kommando, bevor du geboren wurdest, du englischer Lackaffe, und ich wäre dir dankbar, wenn du das nicht vergisst, sonst muss ich mich bei deinen Vorgesetzten über dein schlechtes Benehmen beschweren.“
Die anderen in der Schenke grölten und lachten voller Hohn. „Ruhe, ihr da“, brüllte der Lieutenant, und seine Männer hoben die Knüppel, „oder ich lasse euch alle verhaften wegen Respektlosigkeit gegenüber einem Offizier der Krone! “ Nicht seine Drohung, sondern der Anblick der Knüppel ließ das Gelächter verstummen. Der Offizier wandte sich wieder an Jeremiah. „Sie behaupten also, ein amerikanischer Kapitän zu sein. Wie heißt Ihr Schiff? Ihr Heimathafen? Und wo sind Ihre Papiere, Sir?“
„Ich bin Captain Jeremiah Sparhawk aus Providence, New England.“ Der Stolz in seiner Stimme war nicht zu überhören, als er dem Lieutenant ein Dokument mit einem großen roten Siegel übergab. „Zuletzt führte ich das Kommando auf meiner eigenen Brigg, der Chanticleer. “
„ Chanticleer? Ich kenne hier im Hafen kein Schiff mit diesem Namen.“
„Ich habe sie verloren“, sagte Jeremiah leise, „letzten November.“
„Wie praktisch, nicht wahr?“, erwiderte der Lieutenant, als er das Papier an sich nahm.
Caro hielt den Atem an. Der Offizier studierte das Dokument und bewegte leicht die Lippen, während er las. Jetzt sollte er eigentlich erkennen, dass Jeremiah die Wahrheit gesagt hatte, und die beiden in Ruhe lassen.
Aber stattdessen ließ er das Papier verächtlich zu Boden fallen. „Eine Yankee-Fälschung, und eine stümperhafte noch dazu. Ich wette, in Boston könnte ich so etwas für eine halbe
Krone ebenfalls kaufen. Aber ich glaube nicht einmal, dass du Amerikaner bist. Sparhawk, das ist doch ein schottischer Name, oder?“
Caro konnte Jeremiahs Anspannung deutlich sehen. Er zwang sich, seine Finger zu spreizen, um die Hände nicht zu Fäusten zu ballen.
„Zu Cromwells Zeiten war es ein englischer Name“, sagte er, und seine Stimme blieb unnatürlich ruhig, „aber jetzt ist es ein amerikanischer Name, und zwar schon seit über zwanzig Jahren, seit wir deinesgleichen aus unserem Land vertrieben haben.“
„Er lügt, Sir“, meldete sich nun einer der Marinesoldaten zu Wort. Sein Part in dieser Auseinandersetzung war offensichtlich geplant und einstudiert. „Der Schurke stammt aus Greenock, Sir. Ich kenne seine Familie. “
Der Lieutenant lächelte triumphierend. „Dann soll er gefälligst seinen Dienst auf der Narcissus tun oder Prügel erhalten, weil er ein feiger, verlogener Schotte ist. Packt ihn, bevor er sich davonmacht!“
Doch obwohl die Engländer in der Überzahl waren, hielt sie der Zorn in Jeremiahs grünen Augen zurück. „Wenn ihr mir schon nicht glauben wollt, dann überzeugt euch vielleicht das Wort des Konteradmirals Lord John Herendon -er ist der Vorgesetzte eures Captains, nicht wahr? Herendon wird für mich bürgen, er ist nämlich mit meiner Schwester verheiratet. “
„Ein Schurke wie du hat eingeheiratet in Lord Jacks Familie?“ Der Lieutenant schnaubte verächtlich, und nun waren es seine Männer, die lachten. „Als Nächstes erzählst du mir noch, dass diese kleine Schlampe die Zofe der Königin ist!“
Die Spannung, die sich in Jeremiah aufgebaut hatte, entlud sich plötzlich. Er zog Caro an seine Seite und stürzte den schweren Eichenholztisch um. Eine Lawine aus Zinngeschirr und zerbrechenden
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