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Die Lady in Weiß

Titel: Die Lady in Weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miranda Jarrett
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sie hatte nie die Augen des Mannes vergessen. Gier und Lust hatte sie darin gesehen. Er hatte den kalten Blick eines Raubtieres, er wollte sie jagen und erlegen. Sie sollte benutzt und zerstört werden, ohne
    Hoffnung auf Erlösung. Denn alles, was sie hatte, was sie war, wurde verkauft an den Mann, der am meisten bezahlte.
    „Hast die Kleine geradewegs aus der Koje geworfen, mit Laken und allem Drum und Dran, was?“, fragte einer der Seeleute und suchte in seinen Taschen nach einem Geldstück, während er Caro anstarrte. „Bei allen Heiligen, die ist besser als die Huren, die wir unten am Hafen gesehen haben. Wie viel willst du für die da haben?“,
    „Nichts“, sagte Jeremiah mit einer ruhigen Autorität, die Caro erstaunte.
    „He, wir wollen nur mit dir teilen! “
    „Die Lady gehört zu mir“, sagte Jeremiah jetzt etwas nachdrücklicher. „Sie ist nicht zu verkaufen.“
    Der Mann hob die Arme und wich zurück. Die Drohung in Jeremiahs Stimme hatte ihn eingeschüchtert. „Schon verstanden, Sir. Sie gehört zu Ihnen, und damit Schluss. Ist in Ordnung. “
    Sein Begleiter aber hatte sich etwas mehr Mut angetrunken. Er trat auf Caro zu, um ihr die Decke wegzuziehen. „Na los, Kleine, zeig uns was! “
    Im Nu hielt Jeremiah ein Messer in der Hand. Die lange Klinge blitzte im Mondlicht. Dann schrie der Seemann auf und taumelte zurück. Er hielt sich den Arm. Blut färbte seine Jacke rot.
    „Ich sagte Ihnen doch“, erklärte Jeremiah, als er Caro an den Männern vorbeiführte, „dass die Lady zu mir gehört.“ „Sie hätten ihn umgebracht, nicht wahr?“, flüsterte Caro wie gelähmt. Frederick würde so etwas nie tun, selbst wenn er in der Lage dazu wäre. „Sie hätten ihn einfach so getötet. “ Jeremiah wischte die Klinge ab. „Wenn es unbedingt nötig gewesen wäre, ja. Aber so ein alberner englischer Dummkopf ist es nicht wert, dass man seinetwegen tötet.“
    Sie rang sich ein Lächeln ab. „Aber ein alberner englischer Dummkopf ist es wert, dass man ihn verteidigt, ja?“
    Er warf ihr einen scharfen Blick zu. Das Beben in ihrer Stimme überraschte ihn. Sie wirkte klein und sehr verletzlich, wie sie da mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen neben ihm herging. Zu spät fiel ihm ein, dass sie vermutlich an etwas zartere Umgangsformen gewöhnt war. Für ihn dagegen waren handgreifliche Auseinandersetzungen nichts
    Besonderes. Er sehnte sich danach, sie in die Arme zu nehmen und zu beruhigen, bis der ängstliche Ausdruck aus ihren Augen verschwunden war, doch der Gedanke an ihren Ehemann hielt ihn davon ab. So steckte er nur das Messer weg und räusperte sich.
    „An Ihnen ist nichts Albernes“, sagte er barsch, „abgesehen vielleicht von Ihrer Kleidung. Aber das wird sich gleich ändern.“
    Er pochte an die Tür eines Hauses, in dem gebrauchte Kleidung für Männer und Frauen verkauft wurde, wie auf einem Schild im Fenster zu lesen stand. Es dauerte eine Weile, dann erschien eine verschlafene alte Frau-„Können Sie nicht lesen?“, schimpfte sie. „Wir haben geschlossen.“
    „Jetzt nicht mehr.“ Jeremiah hob eine Guinea hoch, sodass das Mondlicht darauffiel, und sofort öffnete die Frau die Tür. „Die Lady braucht ein Kleid, und was immer sonst noch dazugehört. “
    „So ein großzügiger Gentleman“, murmelte die Frau. Dann musterte sie Caro mit kritischem Blick. „Was ist mit Ihren Sachen passiert, Mädchen?“
    „Sie hat sie beim Würfelspiel verloren“, erklärte Jeremiah kurz angebunden. „Und nun machen Sie schnell, Madam, wir haben nicht die ganze Nacht Zeit.“

6. Kapitel
    Eine Stunde später war Caro ordentlich gekleidet, wenn auch nicht sehr modisch. Sie trug ein Wollkleid, ein kariertes Tuch um die Schultern und auf dem Kopf eine Schute mit einer traurig herabhängenden rosaroten Stoffblume. Sie saß Jeremiah in einer belebten Hafenschenke gegenüber. Vor ihr auf dem Tisch standen eine Portion Zwiebelkuchen mit zerlaufenem Käse und ein Krug Apfelwein, und nichts in ihrem Leben hatte ihr jemals so gut geschmeckt. Obwohl es schon lange nach Mitternacht war, wimmelte es in der Schenke noch von Matrosen, Zimmerleuten, Kutschern, Bergleuten und ihren Frauen. Rufe und Gelächter hallten durch den Raum. Neben dem Kamin spielte ein Fiedler, und Caro beugte sich zu Jeremiah vor, um ihn bei dem Lärm überhaupt verstehen zu können.
    „Ich sagte gerade, Caro, dass Stanhope glauben wird, du seist vom Erdboden verschwunden.“ Er stellte den Bierkrug geräuschvoll auf den

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