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Die Lady in Weiß

Titel: Die Lady in Weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miranda Jarrett
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sich, nicht so zu werden wie ihre Mutter, und als Frederick sie rettete, glaubte sie, es geschafft zu haben. Sie wurde umsorgt, sie wurde geliebt, sie wurde behandelt wie die Lieblingstochter des Mannes, der alt genug war, um ihr Vater sein zu können, und der kein einziges Mal in fünfzehn Jahren verlangt hatte, dass sie ihm die Kunststücke vorführte, die sie hatte lernen müssen.
    Aber jetzt wusste Caro nur zu genau, dass sie nicht besser war als ihre Mutter. Und wie teuer hatte sie diese Erkenntnis
    bezahlen müssen!
    Lange Zeit stand Jeremiah einfach nur da und sah sie an, wie sie da zusammengesunken in den Fluten von schwarzem Stoff auf dem Boden kauerte. Sie war zu sehr gefangen in ihrem Kummer, um ihn zu beachten, und als er hörte, wie sie leise vor sich hin schluchzte, fühlte er, wie sein Ärger nachließ und schließlich verschwand. Er hörte, wie Bertie oben einen Befehl brüllte, und dann vernahm er die eiligen Schritte der Männer, die seine Order ausführten. Seltsam, er hatte vergessen, dass sie auf See waren. Und noch seltsamer war es, dass seine ganze Welt nur noch in dieser winzigen Kabine mit der weinenden Frau zu existieren schien.
    Ihr Haar war nach vorn gefallen und ließ ihren Nacken und den unbekleideten Rücken rührend zart aussehen. Sie war ihm nie sehr verletzlich erschienen, und als er sie jetzt weinen sah, konnte er an nichts anderes mehr denken als daran, dass es seine Schuld war.
    Er hatte Schuld an allem, nicht sie. Er trug die Narben auf seinem Körper, für jeden sichtbar, aber ihre Narben gingen tiefer und waren vielleicht noch schmerzhafter. Gerade er hätte zuhören müssen, als sie um Verständnis bat. Es kümmerte ihn im Augenblick wenig, warum sie glaubte, keine Liebe geben zu können. Viel wichtiger war, dass er wieder jemanden enttäuscht hatte, der ihm vertraute.
    Mit einem Seufzer bückte er sich, nahm Caro bei den Händen und zog sie auf die Füße. Sie hielt den Kopf gesenkt, damit er nicht sah, wie sehr sie geweint hatte. Wortlos drehte er sie um und begann, ihr Kleid zuzuschnüren, wie sie es ihm gesagt hatte. Er führte die dunkle Schnur kreuz und quer über ihren Rücken, und zum Schluss zog er mit einer Drehung seines Handgelenkes die beiden Hälften ihres Kleides zusammen. Am Ausschnitt machte er eine Schleife und steckte die Enden ins Kleid.
    Und dann, noch ehe sie es bemerken konnte, war er gegangen.

10. Kapitel
    Die felsige Insel dort im Nordwesten ist Sardinien“, erklärte Jeremiah. Er reichte Caro, die neben ihm auf dem Achterdeck der Raleigh stand, das Fernrohr. „Mit etwas Glück sind wir vor Einbruch der Nacht im Golf von Neapel. Bertie ist zwar ein übler Schurke, aber als Navigator hat er seine Sache gut gemacht.“
    „Dann sind wir morgen schon da?“, fragte Caro leise. Vorsichtig nahm sie das Glas in die Hand. „So bald schon! “ Jeremiah nickte. Er schlug ganz leicht mit der Hand auf die Reling, während er auf das tiefblaue Mittelmeer hinaussah. Vom Wasser her blies ein kräftiger Wind, aber es war trotzdem ein warmer Morgen.
    „Oh ja. Bertie hat eine erstklassige Überfahrt für uns arrangiert. Es könnte nicht besser sein.“ Er drehte sich zu ihr um. Das Wasser reflektierte das Licht und ließ seine Augen besonders grün erscheinen. „Ich dachte, du würdest dich freuen. Je schneller wir in Neapel sind, desto eher wirst du bei deinem Mann sein.“
    „Ich freue mich ja auch“, sagte sie ruhig. „Die Zeit auf See verging wie im Fluge, sodass ich kaum glauben kann, dass wir schon da sind.“
    Während der letzten Wochen hatte sie sich diesen unverbindlichen Umgangston angewöhnt. Sie hatte gelernt, seinem Blick standzuhalten, ohne zu erröten, und freundlich zu lächeln, wenn er ihr an Deck seinen Arm bot.
    Sie war sicher, dass er keine Ahnung hatte von dem, was in ihr vorging, wenn sie jede Nacht in der Koje über ihm lag und daran dachte, wie sich seine Lippen angefühlt hatten, als sie ihn küsste, wie sie erschauert war unter seiner Berührung, wie sie sich gewunden hatte in seinen Armen, als ihr
    Körper nach mehr verlangte. Die lebhafte Erinnerung daran kehrte wieder, wann immer sie in seine Nähe kam, und das schockierte sie. Sie betete, dass er nicht bemerkte, wie oft sie ihn beobachtete, wenn ihr Blick unter ihrem Schleier verborgen war. Ihr Herz klopfte jedes Mal wie wild, wenn er mit der Geschicklichkeit eines Akrobaten in die Takelage kletterte und mit der Besatzung der Raleigh zusammenarbeitete, um die Langeweile der

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