Die Lady mit der Feder - Roman
trug den Schlüssel an einer Schnur um den Hals und ertappte sich täglich ein halbes Dutzend Mal, dass sie danach fasste. Ging er verloren, hatte sie versagt. Allein der Gedanke war schrecklich.
Sie öffnete den Sack und zog einen hölzernen Stiel hervor, den sie Jordan übergab. Sie griff tiefer und fand die hölzerne Schaufel, die sie immer bei sich hatte, da sie nie sicher sein konnte, wann sie auf eine Heilpflanze oder einen Stein stieß, die sie näher untersuchen wollte. Wieder verspürte sie einen Stich. Die Scheune würde bei ihrer Rückkehr nicht mehr stehen. Die Äbtissin hatte angeordnet, sie niederzureißen, da die windschiefen Wände jederzeit einstürzen konnten.
Jordan sah sie erstaunt an. »Verzeiht meine Neugierde, aber warum tragt Ihr diese Dinge mit Euch?«
Sie setzte zu einer Erklärung an, er aber gebot ihr mit einer Handbewegung Schweigen.
»Ihr könnt es mir später erklären«, sagte er. »Wenn Ihr jetzt gehen würdet …«
»Gehen?« Sie blickte auf ihre leeren Hände. »Eine zweite Schaufel besitze ich nicht und kann daher nicht beim Graben helfen, doch kann ich Euch bei der Arbeit Gesellschaft leisten.«
»Geht jetzt. Helfen könnt Ihr nicht.«
Isabella missfiel sein Ton, der andeutete, dass er ihr so viel Verstand zutraute wie seinem Pferd. Vielleicht sogar weniger. »Warum kann ich nicht helfen?«
»Ein Leichnam ist nichts für eine Lady.«
Sie stand da und wollte sich die Hände vorne an sich abwischen. Da merkte sie, dass sie keine Schürze umgebunden hatte und ihr Kleid nicht mit Schmutz verderben durfte. Im Sack führte sie ein zweites Gewand mit sich, doch wollte sie es schonen und erst anziehen, wenn sie der Königin die Papiere übergeben konnte.
»Was meint Ihr wohl, wer Ehemänner, Väter und Söhne seit Menschengedenken für die Bestattung zurechtmachte?«, fragte sie mit aller Entrüstung, die sie aufbieten konnte. »Es waren Frauen - seit Menschengedenken, also seit Männer Kriege führen.«
»Aber Ryces sterbliche Hülle liegt seit Monaten unter der Erde.«
»Dann ist ohnehin nur mehr ein Gerippe vorhanden.« Sie kniete wieder nieder und strich mit den Fingern durch das Erdreich auf dem Hügel. »Das Wetter war sehr warm, es gab regelmäßig Regen. Hitze und Feuchtigkeit beschleunigen die Verwesung, wenn etwas so nahe der Oberfläche liegt.«
Er würgte etwas hervor. Als sie von der Erde aufblickte, entdeckte sie, dass Jordan sie mit einer Mischung aus Schock und Ekel anschaute, als wäre sie selbst eben aus dem Grab gestiegen.
»Woher wisst Ihr das?«
»Das lernte ich bei meinen Studien.«
»Ihr studiert den Tod?«
»Ich studiere die Natur. Der Tod ist Teil des Lebens.« Sie hockte sich auf die Fersen. »Ich arbeite gern in der Kräuterkammer. Die Veränderungsprozesse der Nahrungsmittel sowie das Studium der Heilkräuter weckten meine Neugierde auf andere Dinge.«
»Sehr gut.« Er rammte den Stiel in die Schaufel und fing zu graben an. »Bleibt, wenn Ihr wollt.«
Isabella sah schweigend zu. Die einzigen Geräusche waren die Schaufel, die sich in den Hügel grub, Wasser, das von den Blättern tropfte, nachdem der Regen aufgehört hatte, und die unruhigen Bewegungen des Pferdes.
Er grub mit den geschmeidigen Bewegungen eines an schwere Arbeit gewöhnten Mannes. Die Narben an seiner Hand und in seinem Gesicht hatten ihr verraten, dass er den Kampf nicht fürchtete. Ein Mann wie er musste ein Kettenhemd, Helmkappe und Kettenhandschuhe tragen, um sich zu schützen. Das Gewicht dieser Teile erforderte starke Muskeln.
Der Erde entströmten Gerüche. Es roch nach Feuchtigkeit, Verwesung und Tod. Sie richtete sich auf und ging ein Stück fort. Sie wusste, dass er sie beobachtete, da sich der Schaufelrhythmus änderte. Unter den Bäumen blieb sie stehen, bückte sich und riss zwei Handvoll Moos knapp über dem Boden von einem Baumstamm los. Weitere Gerüche gesellten sich zu den vorhandenen, doch war es der Geruch nach frischer Erde und Regen.
Schmerz wühlte in ihrem linken Arm, doch sie hoffte, er würde vergehen, wenn sie ihn ignorierte. Sie wusste, wie lächerlich das war. Später, wenn sie Sir Ryce ausgegraben hatten, würde sie ein Gebräu aus Thymian und Starkbier herstellen und für einen Umschlag für ihre Schulter verwenden, ein Vorgang, der allabendlich neun Tage lang wiederholt werden musste, um den Schmerz aus dem Gelenk zu ziehen. Sie hatte sich während der langen Reisetage und langen Nächte mit wenig Schlaf nicht die Zeit dazu genommen. Wenn
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