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Die Lady mit der Feder - Roman

Die Lady mit der Feder - Roman

Titel: Die Lady mit der Feder - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyn Kelley Anke Koerten
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Jordan
abwechselnd mit ihr die Wache übernahm, damit sie nicht bestohlen wurden, würde sie ihre Schulter heilen und schlafen können.
    Sie trug das Moos zu Jordan und öffnete einen der an ihrem Gürtel befestigten Beutel. Sie streute getrockneten Lavendel auf das Moos, ehe sie ihm eine Handvoll reichte. Er sah von ihr zum Moos, Verwirrung in den dunklen Augen.
    »Haltet es an die Nase«, sagte sie. »Damit Euch nicht vom Gestank des offenen Grabes übel wird.«
    »Ich brauche kein …«
    »Ihr braucht es nicht?« Sie runzelte die Stirn und hoffte, sie würde so ärgerlich aussehen wie die Äbtissin, wenn jemand etwas Dummes sagte. »Das bisschen Farbe, das Ihr habt, wechselt zwischen Grau und Grün. Wenn Ihr nicht wollt, dass Euch am Grab Eures Freundes übel wird, schlage ich vor, dass Ihr zum Moos greift.«
    Er riss es ihr aus der Hand. Als er das samtige Moos an sein Gesicht hob und einen tiefen Atemzug machte, der getrocknete Lavendelstücke um seinen Kopf fliegen ließ, sagte er: »Hättet Ihr mich zu Ende sprechen lassen, wüsstet Ihr jetzt, dass ich sagen wollte, dass ich gar nicht weiß, wie ich mich für Eure Aufmerksamkeit bedanken soll.«
    »Ach …« Selten um Worte verlegen, war Isabella unbehaglich zumute.
    »Ihr seht selbst nicht allzu frisch aus.« Er griff nach oben und nahm ihre Hand und schob ihr sanft das Moos vors Gesicht. »Ihr seht aus, als könnt auch Ihr Hilfe brauchen.«
    Mit einem erstickten Atemholen wich sie zurück und starrte ihn an. Wie kam es, dass eine so einfache Berührung ihr Schauer über die Haut jagte, erstaunlich heiße Schauer?

    »Seid Ihr krank?«, fragte er.
    Sie schüttelte den Kopf. Ihr gesamter Wortschatz war ihr entfallen.
    Als Jordan sich wieder zu seiner Arbeit bückte, war sie erleichtert. Sie wollte nicht, dass er merkte, wie seine banale Geste sie erbeben ließ. Dass seine harmlose Berührung sie derart aus der Fassung bringen würde, kam für sie völlig unerwartet. Wenn sie sich an seine Gesellschaft gewöhnt hatte, würde sich dieses beunruhigende Gefühl vielleicht verflüchtigen. Sie hoffte es jedenfalls.
    »Darf ich etwas fragen?«, sagte er, ohne in seiner Arbeit innezuhalten. »Ach, ich glaube, ich fragte es eben.« Die Andeutung eines Lächelns huschte über seine Lippen, so rasch, dass sie zweifelte, ob sie es wirklich gesehen hatte. »Deshalb stelle ich eine andere Frage, wenn es Euch recht ist.«
    »Natürlich.« Sie kniete wieder am Grab nieder. Sollte sein Scherzen den Kummer vergessen lassen, weil er seinen Freund exhumierte?
    »Warum führt Ihr eine Peitsche mit Euch?«
    »Ich finde sie sehr nützlich.«
    »Um Euch zu schützen?«
    Isabella lächelte. »Ganz im Gegenteil. Zu diesem Zweck habe ich sie seit meiner Kindheit nicht mehr benutzt. Es gibt andere Wege, mit lästigen Menschen fertig zu werden, als die Peitsche schnalzen zu lassen.«
    »Ach, sind andere Menschen Euch ebenso lästig wie Ihr ihnen?«
    Sie war so schockiert, dass es ihr die Rede verschlug. Niemand hatte sie jemals als lästig bezeichnet. Für die Schwestern war sie, die von ihren Studien völlig beansprucht wurde,
so still wie ein Kaninchen im Buschwerk an den Abteimauern.
    Er schaufelte weiter und warf Erde und Unkraut beiseite. Sein Gesicht wurde mit jeder Schaufelladung bleicher. Abrupt warf er die Schaufel von sich, kniete nieder und schob mit bloßen Händen die lockere Erde auf das Gras. Als sie dasselbe auf der andere Seite des Grabes machte, sah er sie an.
    »Mylady … Isabella, das ist nicht Eure Aufgabe.« Sein Kiefer hatte Mühe, jedes Wort herauszubringen, ohne dass ihm übel wurde, während er seinen toten Freund ausgrub.
    »Wir sind Verbündete im Dienste der Königin. Wenn ich Euch jetzt helfe, könnt Ihr mir eher helfen.«
    »Seid Ihr immer so logisch?«
    »Ja.«
    Wieder sah er sie an, mit gerunzelter Stirn, als müsse er ein Rätsel lösen.
    Sie blickte auf etwas Weißes im Erdreich hinunter. Gebeine, wie sie wusste. Mitgefühl erfasste sie, als sie Jordans Kummer sah. Sie wollte ihm sagen, dass sie seinen Schmerz verstünde, doch konnte sie es nicht. Sie konnte sich nur vorstellen, was er empfinden musste.
    Schweigen senkte sich über sie, als sie die letzten Hände voll Erde von den sterblichen Überresten von Jordans Freund hoben. Ihre Augen füllten sich mit heißen Tränen. Von Sir Ryce de Dolan waren nur mehr Knochen übrig. Verwest sein Fleisch und seine Seele. Nichts war von seiner Kleidung geblieben. Hatten seine Gegner ihm Kettenrüstung und

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