Die Lady mit der Feder - Roman
Bäume hinter sich ließen. Vor ihnen lag der Hügel. Im Regen sah er noch erbärmlicher und verlassener aus.
»Wer liegt hier?«, fragte Lady Isabella in viel sanfterem Ton.
»Mein engster Freund.«
»Das tut mir leid.« Sie schwieg, als sie am Grab anhielten, und fragte erst nach einer Weile: »Warum liegt er hier?«
»Die Brüder der Priorei verweigerten ihm eine Beerdigung innerhalb ihrer Mauern, da er sein Leben bei einem Turnier lassen musste.«
Zum ersten Mal, seitdem sie vom Pförtnerhaus losgegangen waren, sah sie ihn an. Ihre Augen waren zusammengekniffen, als schätze sie ihn von neuem ab. »Bei einem Turnier? Eine Schande, wenn ein Mann sein Leben so nutzlos verliert!«
»Ja, eine Vergeudung. Wäre ich zur Stelle gewesen, hätte ich ihm ausgeredet, die Herausforderung anzunehmen, nur weil er die Hand einer Frau erringen wollte. Keine Frau ist das Leben eines Mannes wert.«
Wieder ließ sie sich mit ihrer Antwort Zeit und starrte das Grab an. »Da gebe ich Euch Recht.«
»Ach?« Er staunte. Seine verächtliche Bemerkung über den Wert einer Frau hätte ihm von seinen Schwestern laute Zurechtweisungen eingetragen. Und er konnte sich nicht vorstellen, dass ihre Brüder eine so gezielte Beleidigung hingenommen hätten, ohne Genugtuung im Kampf zu fordern.
»Es fallen schon genug Männer in Kriegen. Nur um die Bewunderung einer Frau zu erringen, sollten nicht noch mehr sterben.« Als sie aufschaute und seinem Blick begegnete, glitt ihre Kapuze zurück und enthüllte ihr Haar, das ihr Antlitz wie eine goldene Wolke einrahmte. Er nahm es kaum wahr, als sie seinen Blick mit ihrem intensiven festhielt. »Was die Königin von uns verlangt, könnte den Ausbruch eines weiteren Krieges zwischen König Henry und den Prinzen verhindern.«
»Wie das?«
»Mehr sagte man mir nicht. Es reichte aber, dass ich meinen Dienst anbot. Genügt es Euch, Mylord?«
Er starrte das namenlose Grab an. Ein Ende der Kämpfe zwischen dem König und seinen Söhnen? War dies denn möglich? Er musste es herausfinden. »Es ist mehr als genug. Sagt mir, wie ich Euch helfen kann, Lady Isabella.«
3
K önnten wir unser Gespräch unter einem Dach fortsetzen?«, fragte Isabella mit dem liebenswürdigsten Lächeln, das ihr zu Gebote stand. Jeder Tropfen, der auf ihre Schulter fiel, schmerzte. Sich der Armschlinge zu entledigen,
bevor sie Lord le Courtenay traf, war ihr als gute Idee erschienen, da nichts darauf hindeuten sollte, dass sie ihm auf dem Ritt nach Lincoln eine Last sein würde. »Der Regen findet zu viele Wege durch meinen Umhang.«
Lord le Courtenay wies mit einer halben Verbeugung zur Priorei. »Ihr müsst hier nicht verweilen, Mylady.«
»Isabella«, sagte sie leise und ging auf die andere Seite des Grabhügels.
»Wie bitte?« Er drehte sich zu ihr um. Seine dunklen Augen blitzten unter seiner Kapuze hervor wie zwei Edelsteine aus großer Tiefe. Sie staunte, dass er sie an Größe überragte, da die Äbtissin nicht viel größer als ein Kind war.
Doch unterschied er sich auf so mannigfache Weise von der Äbtissin, da sich in seinen Kummer ein Zorn mischte, der ihn wie eine Aura umgab, mächtig und gefährlich und unbestritten männlich, während die Äbtissin ihre Emotionen in der Gewalt hatte. Isabella fragte sich, ob Lord le Courtenay dies auch geschafft hätte. Obwohl er seinen Zorn zu verbergen trachtete, prägte dessen Heftigkeit alle seine Bewegungen und schärfte jedes seiner Worte.
»Ich heiße Isabella.« Sie wollte die Erklärung vermeiden, wie fremd ihr der Titel Lady vorkam. Sie hätte es vorgezogen, wenn er sie mit »Schwester Isabella« angesprochen hätte, konnte, vielmehr durfte aber den Grund nicht erklären. Die ruhige Würde der Äbtissin nachahmend, setzte sie hinzu: »Bitte, nennt mich mit meinem Vornamen.«
»Warum?«, fragte er wie zuvor.
»Wir beide dienen der Königin.« Es war keine originelle Antwort, doch wollte ihr nichts anderes einfallen, während er sie so eindringlich ansah.
Warum hatte die Äbtissin es versäumt, ihr zu sagen, dass Jordan le Courtenay so unwiderstehlich war? Isabella hatte sich auf das vorbereitet, was sie sagen musste … und dann hatte er sie mit seinem intensiven Blick angesehen. Obwohl sein übriges Gesicht im Schatten lag, hatte sie sich trotz ihrer Verlegenheit gezwungen, seinem Blick zu begegnen, verlor sich jedoch darin. Als sie am Tor zur Priorei stand, hatte sie geglaubt, ihr Gleichgewicht wiedergefunden zu haben, eine törichte Annahme, wie sie
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