Die Lady mit der Feder - Roman
Maurices Miene verlor ihre einstudierte Gelassenheit. »Es war ein grässliches Hauen und Stechen, Mylord. Ich half mit, unsere Fenster und Türen zu verbarrikadieren, damit keiner der Kämpfenden innerhalb unserer Mauern Schutz suchen konnte, als ich sah, dass vier Mann Euren Freund angriffen. Auch als er sich ergeben wollte, ließen sie nicht von ihm ab, bis er tot war.« Er schloss für einige Sekunden die Augen und bekreuzigte sich. »Die Erinnerung an jenen Moment wird mich nicht so rasch verlassen.«
»Wer tötete ihn? Habt Ihr das Wappen der Männer gesehen?«
»Ich kann mich nicht erinnern.« Seine Unterlippe bebte, Tränen stiegen ihm in die Augen. »Ich möchte gar nicht daran denken.« Seine losen Breeches und seine Kutte hochraffend, flüchtete er zur Priorei.
Jordan fuhr fort, den Hügel anzustarren. Er verfluchte das Schicksal, das Ryce de Dolan den Tod gebracht hatte. Nein, dem Schicksal konnte er keine Schuld geben. Auch nicht den Männern, die Ryce im Turnier getötet hatten. Schuld hatte die Teufelin, die Ryce verlockte, alles zu riskieren, um ihre Hand zu gewinnen, und die nach seinem Tod bereitwillig in Sir Algernon Emmets Arme gesunken war.
Eine dumme Sache. Wäre Jordan zur Stelle gewesen, hätte er seinen Freund von der Teilnahme an dem Turnier abgehalten. Nicht etwa weil Ryce bei den Scheinkämpfen, die für gelangweilte Ritter amüsanten Zeitvertreib darstellten, nicht
Ansehen und Pferde hätte gewinnen können. Ryce hätte gewinnen müssen. Er hatte bei jedem Turnier, an dem er vor diesem verhängnisvollen Kampf teilgenommen hatte, zu den Siegern gezählt, doch hatte sein ganzes Kampfgeschick nicht ausgereicht, um Gegner abzuwehren, die ihn unter Missachtung aller ritterlichen Turnierregeln töteten, nachdem er sich ergeben hatte.
Das Leben eines Ehrenmannes sinnlos vernichtet!
Jordan stieß wieder eine Verwünschung aus. Es hatte zu viel sinnloses Sterben gegeben, seitdem die königlichen Erben alt genug waren, um ihren Anteil an der Macht des Vaters zu fordern. Alle kannten die angeblich von Merlin, dem großen Weisen, ausgesprochene Prophezeiung, dass » aus ihm eine Raubkatze hervorgehen wird, die alles niedermacht und entschlossen ist, den Ruin des eigenen Volkes herbeizuführen. « Es hieß, dass diese Worte auf den jungen König, wie sein Vater Henry genannt, gemünzt waren, der in zu vielen Männern - Jordan le Courtenay eingeschlossen - das Verlangen nach Kriegsruhm geweckt hatte.
Nun war der junge König tot, nach der Plünderung eines Pilgerschreines nördlich der Pyrenäen an einem grässlichen Ausfluss zugrunde gegangen. König Henry fuhr fort, einen Sohn gegen die anderen auszuspielen, die beiden legitimen Söhne gegen den illegitimen Geoffrey, der, mit der Bischofswürde von Lincoln nicht zufrieden, sein Amt im Stich gelassen hatte, um sich an den nicht enden wollenden Kriegsspielen zu beteiligen, zu denen die Plantagenets verdammt schienen.
So nahm das Sterben kein Ende. Tod auf dem Schlachtfeld, auf dem Männer ihren einem König geleisteten Lehnseid brachen,
um sich einem anderen zu verpflichten. Tod in Scheinkämpfen zwischen Männern, die sich für den nächsten Krieg stählen wollten.
»Ich bin es leid«, sagte Jordan, seine Hand auf das Heft seines Schwertes legend. »Ich schwöre dir, Ryce, dass ich von diesem Wahn, der dich in dieses flache Grab brachte, nichts mehr wissen möchte. Nach allem, was wir erduldeten, nach allem, was wir überstanden … warum hast du dein Leben für eine Frau weggeworfen, die nun das Bett eines anderen teilt, während du unter der Erde schläfst?«
Ryce de Dolan hatte die Frau nicht einmal erwähnt, deren Ehre zu verteidigen er nach Kenwick Castle gekommen war. Warum hatte Ryce zu ihm nicht von der Frau gesprochen, die er hatte heiraten wollen? Sie hatten voreinander keine Geheimnisse gehabt, warum also hatte Ryce kein Wort über seine Heiratspläne verloren? Vielleicht hatte er befürchtet, Jordan würde es ihm verübeln, weil ihren Abenden mit willigen Mädchen nun ein Ende beschieden war. Vielleicht hatte er geglaubt, Jordan würde die Verbindung nicht billigen. Vielleicht …
Er stieß einen wüsten Fluch aus. Die Antwort darauf würde er nie erfahren, da die Wahrheit mit Ryce dahingegangen war.
Nun war nur mehr der Umstand von Bedeutung, dass sein Freund in einem namenlosen Grab in ungeweihter Erde lag. Er musste dafür sorgen, dass Ryces sterbliche Überreste nach La Tour du Courtenay geschafft wurden. Dort konnte sein
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