Die Lady mit der Feder - Roman
Atemzug und atmete rasch aus, als sie etwas auf der Straße liegen sah. So schnell sie konnte, sprang sie darauf zu. Vorsichtig bückte sie sich, um den Dolch aufzuheben, der sich in Sir Ryces Grab befunden hatte. Gamell und seine Kumpane mussten ihn übersehen haben, als sie sich mit Jordan davonmachten.
Als sie das Messer neben ihr eigenes in den Gürtel steckte, wusste sie, dass sie alles daransetzen musste, um Jordan vor Gamells Auffassung von Gerechtigkeit zu bewahren. Nach einem Blick zu den Mauern von Kenwick Priory schlug sie diese Richtung ein. Der Prior würde wissen, wer ihr helfen konnte.
Sie schalt sich, als sie das offene Feld überquerte. Hätte sie mit Nariko eifriger trainiert, wäre es ihr vielleicht geglückt zu verhindern, dass der Sheriff Jordan und den Karren mit sich nahm. Was nützten einem heilende Steine und Kräuter, wenn man sich einem Gegner gegenübersah? Sie hätte den Kampfübungen mehr Aufmerksamkeit schenken sollen. Mit der Breitseite des Schwertes hätte sie Gamells Männer vertreiben können, oder aber ein Kampfstock hätte sie so lange außer Gefecht gesetzt, bis Jordan mit dem Karren entkommen war.
Wie hatte der Sheriff sie so rasch finden können, nachdem sie den Karren von Zane erworben hatten? Jemand musste ihm gemeldet haben, dass sie und Jordan damit unterwegs waren. Aber wie und warum? Auch wenn sich zufällig jemand auf der Straße befunden hatte, als Sir Ryce exhumiert
wurde, wie hatte diese Person Gamell und seine Leute rechtzeitig davon in Kenntnis setzen können, dass diese so rasch zur Stelle waren und sie aufgehalten hatten?
Es gab eine Antwort, und wie bei jedem anderen Rätsel, das sich ihr präsentierte, musste sie diese finden. Sie ballte die Hände zu Fäusten. Sie konnte sich die Enttäuschung der Äbtissin vorstellen, falls sie versagte!
Sie zwang ihre unsicheren Beine zum schnellstmöglichen Schritt, ohne aufs Gesicht zu fallen, und war sehr erleichtert, als sie endlich das Pförtnerhaus der Priorei erreichte. Es war ein einfacher Bau mit einer Doppeltür unter einem Raum, den der Bruder Pförtner bewohnen musste.
Da die Türflügel offen standen, ging sie hindurch und betrat den kleinen Hof, in den man Fremde ungehindert einließ. Heimweh übermannte sie, und sie fragte sich, warum sie sich so gefreut hatte, St. Jude’s Abbey zu verlassen. Im Inneren der Abtei war für die Narreteien der Welt kein Raum. Sie sehnte den Moment herbei, wenn ihre Aufgabe erfüllt sein würde und sie zurückkehren konnte.
Nachdem sie Jordan Lebewohl gesagt hatte …
Sie furchte die Stirn, als sie einen Stich verspürte, schmerzhafter als diejenigen, die noch in ihrer Schulter tobten. Dieser Mann, den sie erst seit einigen Stunden kannte, hatte ihr eine ganze Reihe von Überraschungen beschert. In gewisser Weise war er wie die Äbtissin: stur entschlossen zu tun, was er für richtig hielt. Doch war es eine maskuline Entschlossenheit, die einer für sie schwer verständlichen Logik folgte.
Warum hatte er so und nicht anders gehandelt, als sie aufgehalten wurden? Er war Earl, und sie hatte erwartet, dass er Gamell auffordern würde, ihm den gebührenden Respekt zu
erweisen. Stattdessen hatte er sich ohne viel Widerrede den Männern gefügt.
Als er sicher sein konnte, dass ich außer Gefahr war.
Der Gedanke, der ihr ganz plötzlich kam, erstaunte sie. Warum war sie nicht eher darauf gekommen, dass dies der Grund für seine Fügsamkeit sein mochte?
Ein Mönch in dunkler Kutte, der herbeieilte, um sie zu begrüßen, enthob sie der Mühe, die Frage zu beantworten, die nicht zu beantworten war.
»Kann ich Euch helfen?«, fragte er.
»Ich bin Lady Isabella de Montfort. Ich möchte den Prior sprechen.«
»Jetzt?«
»Ja. Bitte, sagt dem Prior, dass ich ihn in seiner Andacht ungern störe, doch muss ich ihn unverzüglich sprechen.«
Die Augen des Bruders wurden groß. Er neigte den Kopf und bat sie, im Hof zu warten. Sie war versucht, ihm zu sagen, dass sie das Bedürfnis einer Gemeinschaft nach Abgeschiedenheit verstünde und respektierte, doch verschloss ihr das Gelübde, nichts von St. Jude’s Abbey zu verraten, die Lippen.
Eine Bank stand an der grauen Steinmauer, doch setzte sie sich nicht, da sie argwöhnte, dann nicht mehr aufstehen zu können. Ihre Beine waren wacklig, auch wenn sie die Knie steif hielt. Die Hände knetend kämpfte sie um Geduld, als die Minuten verstrichen, ohne dass der Bruder wieder erschien. Mit jedem Atemzug wurde ihr Kopfschmerz
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