Die Lady mit der Lanze
bewusstlos?«
»Eben lange genug, um dich auf den Karren zu laden und mit der schnellsten Gangart des Gespanns die Burg hinter uns zu lassen.«
»Hinter uns?« Sie berührte ihre empfindliche Kopfhaut. »Unter den Arzneivorräten der Burg muss es etwas gegen meinen Kopfschmerz geben.«
»Wahrscheinlich, doch wird man dich dort kaum willkommen heißen.«
»Warum nicht?«
»Dein besiegter Gegner gilt auf Pembroke Castle als großer Kämpfer. Seine Kameraden von der Wache würden dich vermutlich im Wogan anketten.«
»Im was?« Sie rutschte vorsichtig ans rückwärtige Ende der Ladefläche.
»Im Wogan, dem Verlies unter dem Hauptturm. Es öffnet sich zum Fluss und dient auch als Lagerraum.«
»Hilf mir herunter.«
Sein Stirnrunzeln war tröstlich vertraut. »Du brauchst Ruhe, also genieße die Chance, dem Regen zu entgehen.«
»Ich werde nicht wie ein Invalide daliegen, wenn beim Verlassen von Pembroke für uns Gefahr besteht.«
Er griff hinein und hob sie heraus, als sei sie leicht wie sein Falke. Er hielt den Arm um ihre Schulter gelegt, als er sie auf die Straße stellte. Sie schwankte, konnte aber mit ihm Schritt halten, als der Karren langsam den steilen Hügel hinauffuhr.
»Dein Stock war zerbrochen, als wir ihn aufhoben«, sagte er. »Du kannst von Glück reden, dass er nicht deinen Schädel einschlug.«
Sie nickte zustimmend und wünschte, sie wäre vorsichtiger gewesen. »Sobald wir ein paar Meilen von der Burg entfernt sind …«
Tarran legte seine Finger auf ihre Lippen. Sie seufzte, als die sanfte Berührung sie reizte, ihn zu bitten, er solle sie festhalten, bis die Welt um sie herum sich nicht mehr um sie drehte und der Schmerz nachließ.
»Du kannst nicht viel weiter gehen.«
»Aber du sagtest, wir würden auf der Burg keine Aufnahme finden.«
»Das ist richtig, doch wird uns die Priorei Monkton ihre Tore öffnen.«
Sie sah zu den schweren Wällen hoch, die eher zu einer Festung als zu einem frommen Haus zu gehören schienen. Sie rief sich in Erinnerung, dass es hier viele kriegerische Auseinandersetzungen gegeben hatte, ehe König Henry Wales befriedet hatte. Es stand zu vermuten, dass die Insassen der Priorei dankbar für die dicken Mauern gewesen waren.
»Glaubst du, dass du so weit laufen kannst?«, fragte er.
»Ich kann es, wenn du es kannst«, antwortete sie in spöttischem, aufmunterndem Ton. »Hoffentlich gibt es dort ein trockenes und warmes Plätzchen.«
Tarran dirigierte sie um einen großen Erdhaufen herum. Als sie gegen ihn taumelte, hielt er sie fest. »Warm und trocken. Genau meine Überlegung.«
»Und ein Plätzchen, um viele Stunden zu schlafen.«
Seine Finger streichelten ihre Seite, als er murmelte: »Und in deinen Armen zu erwachen.«
Elspeth sah ihn an und rasch wieder weg. Obwohl seine verführerischen Worte sie verlockten, ihre schwierige Situation zu vergessen, musste sie sich darauf konzentrieren, die zur Priorei führende Straße entlangzustolpern.
»Das ist absurd«, sagte er.
Er hob sie in seine Arme. Zärtlich wanderte sein Mund über ihren, beruhigend, verlockend, Nähe fordernd. Sie lehnte sich an ihn. Diese kleine Bewegung warf sie beinahe zurück in den Strudel der Finsternis. Oder wurde sie von seinem Kuss mitgerissen?
» Cariad «, murmelte er, »überlasse dich meiner Obhut. Nur dieses eine Mal.«
Sie schloss die Augen und schmiegte sich an seine Brust. Sein Herzschlag war das wunderbarste Wiegenlied, das sie sich denken konnte, und sie ließ sich von ihm an einen Ort irgendwo zwischen Schlaf und Wachsein versetzen.
Tarran ging durch das offene, gemauerte Torhaus voraus. Die hell erleuchtete Kapelle erhob sich kerzengerade auf dem Abhang. Stallungen und Nebengebäude umgaben sie wie ein beflissener Hofstaat. Nur ein einziges der anderen Gebäude war an diesem stürmischen Nachmittag erleuchtet.
Aus der Kapelle hörte man den Chorgesang der Vesper. Eine Woge des Glücks erfasste sie beim Klang der geliebten Weisen. Fast hätte sie glauben können, zu Hause in St. Jude’s Abbey zu sein, wären die alten Kirchenlieder nicht von tiefen, sonoren Stimmen gesungen worden. Sie hatte nicht geahnt, wie sehr ihr der regelmäßige Tagesablauf, den sie vom Kloster her gewohnt war, fehlen würde.
Ihr Glücksgefühl ließ nach. Ins Kloster zurückgekehrt, würde sie Tarran nie wieder nahe sein können. Sie konnte die zwei Dinge, die sie am meisten liebte, nicht gleichzeitig haben - Tarran und ihr Leben im Kloster. War dies das Dilemma, das Rhan in ihrer
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