Die Lady mit der Lanze
Schutz gegen die feuchte Luft hochgezogen hatten. Sie saßen eng zusammengedrängt da, und sie hörte, dass sie leise sangen. Keiner der beiden blickte auf, und sie fragte sich, ob es Schausteller waren, die übten, oder Bewohner der Burg, die sich auf diese Weise unterhielten.
Sie biss sich auf die Unterlippe, um ihr Lachen zu unterdrücken. Hoffentlich war der Burgherr nicht so finster wie Tarran. Ob Tarran ap Llyr jemals lächelte?
»Warum bereitet Ihr mir keine Überraschung«, fragte Tarran, »und übt Euch in Zurückhaltung, während ich unseren Gastgeber begrüße? Ihr könntet beweisen, dass ich mich irrte und Ihr doch über Verstand verfügt.« Ihre Antwort wartete er nicht ab und ging auf die erhöhte Tafel zu, wobei er nur innehielt, um seinen Vogel auf einen schmalen Sims zu stellen, wo die treibenden Rauchschwaden das Tier nicht ersticken konnten. Die Fesseln des Vogels befestigte er an einer einfachen, aus einem einzigen Ast bestehenden Sitzstange. Er zog etwas aus dem Beutel, den er an seinem Gürtel trug, und legte es neben den Falken. Es musste Fleisch sein, da der Vogel sich gierig darüber hermachte.
Sie blickte an Tarran vorbei zu dem Mann an der Hochtafel. Sein stattlicher Leibesumfang, der Pokal in seiner Hand und die Frau auf seinem Schoß ließen erkennen, dass Lord de la Rochelle ein Mann war, der sein Leben zu genießen verstand. Sein Haar war ergraut, sein volles Gesicht aber faltenlos. Er bedeutete ihnen vorzutreten.
Elspeth blieb zurück, die alte Frau desgleichen, und Elspeth war erstaunt, als Vala ihre Hand auf ihre legte.
»Trotz allem, was Tarran glaubt«, sagte Vala, »besitzt Ihr Weisheit, Mylady.«
Sie wollte Vala erklären, wie sehr sie sich in ihrer Vermutung irrte, Elspeth wäre von edler Herkunft. Im Kloster hatte kein Mensch dem Rang Bedeutung beigemessen. Dort zählten nur die erbrachten Leistungen. Sie wünschte, außerhalb der Klostermauern hätte es sich ebenso verhalten. Aber wünschte sie es sich wirklich? Sie hörte es zu gern, wenn man sie Lady nannte, so gern, dass sie darauf achten musste, sich von ihrem Stolz nicht auf Abwege führen zu lassen.
Die Hände hinter dem Rücken verschränkt, weil sie sich ohne einen Stock unsicher fühlte, beobachtete sie, wie Tarran Lord de la Rochelle begrüßte. Der Fürst der Grenzmark lächelte und rief nach Ale für Tarrans Begleiter, während man Iau in die Ecke brachte, wo die Kinder genäht hatten. Ein Ale-Humpen wurde ihr in die Hand gedrückt. Sie trank in tiefen Schlucken und ließ die wärmende Flüssigkeit ihre Kehle hinunterrinnen.
Eine Magd trat vor sie hin, die Hände ausgestreckt. »Ich bringe Euren Mantel zum Trocknen, Mylady.«
»Danke.« Elspeth übergab ihr dankbar ihren nassen Umhang und beugte sich vor, um zu fragen: »Wo finde ich die alte weise Frau, die hier leben soll?«
»Meint Ihr Rhan?«
»Ja«, sagte sie, ohne zu wissen, wie die Gesuchte hieß.
»Sie ist an Fieber erkrankt, Mylady.« Das Gesicht der Magd verriet Besorgnis. »Niemand darf zu ihr.«
»Aber ich muss sie sehen!«
Die Frau sah sie betrübt an. »Mylady, Ihr könntet auch erkranken. Niemand darf in ihr Krankenzimmer, ehe das Fieber nicht sinkt.«
Elspeth seufzte, als die Magd ging und den Mantel an den kleineren Kamin legte. Bei St. Jude, ihr wurde jedes nur mögliche Hindernis in den Weg gelegt, um sie abzuhalten, diesen verdammten Stein zu finden!
Wieder blickte Tarran sie an. Nicht nur er, sondern auch ihr Gastgeber. Es war klar, dass über sie gesprochen wurde. Als der Lord Tarran lachend auf die Schulter schlug, ballte sie ihre Hände frustriert zu Fäusten. Hätten die beiden geahnt, was sie im Schilde führte … Sie dachte den Gedanken nicht zu Ende. Niemand durfte es wissen.
Tarran winkte sie mit gekrümmtem Finger zu sich. Sie blickte weg. Sie war kein Tier, kein Vogel, der auf Befehl folgte.
»Ein Wort der Warnung, wenn Ihr erlaubt«, sagte Vala, und Elspeth wurde gewahr, dass die alte Frau sie und Tarran beobachtet hatte. Müdigkeit lastete auf Valas Schultern, ihre Augen aber blickten unter schweren Lidern scharf hervor.
»Aber gewiss.« Sie zwang sich zu einem Ton, der ihre Wut nicht erkennen ließ. Tarran nahm auf Valas Erschöpfung keine Rücksicht. Er hätte dafür sorgen müssen, dass sie sich hinsetzen konnte, ehe er Lord de la Rochelles Willkomm suchte.
»Tarran ap Llyr ist ein Mensch starker Gefühle. Ihr wäret gut beraten, keines dieser Gefühle zu wecken, während er sein Ziel verfolgt.«
»Ziel? Ich
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